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I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
seinem ^ohne Friedrich I. am 18. Januar 1701 den Namen
Königreich Preussen erhielt. Friedrich der Große sagte von ihm:
„Der hat viel getan!" Besonders viel hat er auch für den Bauern¬
stand und die Landwirtschaft getan. Noch heute erinnern die
Namen vieler untergegangenen Dörfer und Wüstungen an die schreckliche
Zeit des dreißigjährigen Krieges, in der er den Thron bestieg. Weite
Strecken seines Landes waren Wüsten. Tausende von Häusern und
Hütten standen verfallen und leer da. Es fehlte an Menschenhänden,
an Vieh, an Ackergeräten, an Saatgut, an Geld, an Geschick und
Arbeitswut. Da ries der Kurfürst aus dem blühenden Holland kundige
Ansiedler und aus Frankreich geschickte Handwerker herbei. Er gab
ihnen Äcker und Wiesen, zum Hausbau Holz und Steine und befreite
sie aus 6 Jahre von Pacht und öffentlichen Lasten. Die Niederländer
entwässerten die Sümpfe, bauten Kanäle und Brücken, pflanzten Obst¬
bäume au und bestellten die Felder sorgfältig. Die Stadt Oraniem
bürg stieg gleichsam aus einem Sumpfe heraus. Ihren Namen bekam
sie von der vortrefflichen Kurfürstiu Luise Henriette, die eine
Prinzessin von Oranien war. Noch heute erinnert ihr Lieblingslied
„Jesus, meine Zuversicht" an die edle Fürstin, die eine wahre Landes¬
mutter war. Sie richtete bei Oranienburg eine Musterwirtschaft ein
und bekümmerte sich um alles selbst. Ihre Milchwirtschaft, ihr Obst¬
garten, ihre Gemüsezucht und ihre Schule für Landwirte gaben gute
Muster und reizten zur Nachahmung.
Der Kurfürst hob die Schafzucht sowie die Tuchweberei und verbot
die Einführung fremder Tuche. Auf den Staatsgütern ließ er
den Bauern zeigen, wie sie Ackerbau, Viehzucht und Obstbau betreiben
müßten. Jeder Bauer mußte bei seinem Hause einen Garten anlegen.
Keiner durfte heiraten, ehe er nicht 6 Obstbäume gepfropft und 6 Eich¬
bäume gepflanzt hatte. Jährlich zweimal hatten die Pfarrer von der
Kanzel die Bauern im Namen des Kurfürsten zur Pflanzung und Pflege
von Obstbäumen zu mahnen. Der Kurfürst war selbst ein großer
Gartenfreund und verweilte manche Stunde zwischen seinen Bäumen,
Gemüsen und Blumen. Er veredelte selbst Wildlinge, beschnitt Sträucher
und Bäume, fischte Karpfen aus dem Teiche, las Trauben von den
Weinreben und kaufte wohl auf dem Markte ein paar Nachtigallen.
Die ersten Kartoffeln ließ er anpflanzen und den Tabaksbau ein¬
führen ; doch gelang es ihm nicht, den verfallenen Weinbau wieder zu
heben. Dagegen verbreitete sich leider der Genuß des Branntweins,
den ein Norbhäuser Apotheker um 1600 erfunden hatte.
Schlimm war es für den Bauernstand, daß er seinen Besitz und
damit seine Macht nicht vermehren konnte, sondern ihn immer mehr
vermindern sah. Nach dem großen Kriege hatten die großen Herren
die entvölkerten, wüsten Strecken entweder ohne weiteres in Besitz
genommen oder für ein Spottgeld erworben oder sich doch das Vor¬
kaufsrecht gesichert. Immer größer wurde der Adels-, immer kleiner
der Bauernbesitz. Mancher Bauer wurde ohne viel Federlesen gelegt,
d. h. aus seinem Besitz verdrängt, der dann den Gütern zugeschlagen
wurde.