Das Klima. 43
Eigentümliche Unregelmäßigkeiten in den Niederschlägen, so andauernde
Trockenheit in einzelnen, heftige und verheerende Regengüsse („Wolkenbrüche")
in andern Gegenden, ferner infolgedessen bald große Wasserarmut iu den Strö-
men und Flüssen, bald gewaltige und gefahrbringende Überschwemmungen durch
dieselben haben ihren Grund iu der zunehmenden Entwaldung; derselben ist
auch die in Deutschland wie in Frankreich, ja selbst in Rußland beobachtete
stetige Abnahme der Wasserfülle der Ströme und Flüsse zuzuschreiben.
Die in Südeuropa häufigen und oft höchst verheerenden Erdbeben
reichen mit ihren Schwinguugeu bisweileu uach Süddeutschland (besonders in
die Rheingegend) hinein; nur selten werden sie auch iu der Tiefebeue empfnudeu.
viertes Kapitel.
Die Pflanzenwelt und Tierwelk.*)
§ 1. Die Pflanzenwelt. Vorbetrachtuug.
Da die klimatischen Verhältuisse auf die Eutwickelung der Pflanzen-
Welt einen bedingenden Einfluß ausüben, fo werden wir an die voran-
gegangenen Erörterungen anknüpfen müssen, wenn wir die Darstellung der
Vegetationsverhältnisse Deutschlands beabsichtigen. Zwar zeigt nun unser
Vaterland ein größeres Wärmequantum, als es nach dem Stande der Sonne
und im Vergleich zu auderu Gegenden der Erde von derselben geographischen
Lage zu beanspruchen hätte, indes gehört es immerhin noch dem Gebiete der
kälteren gemäßigten Zone an. Hiernach darf man nicht erwarten, daß Kultur-
gewächfe des südlichen Europas (Oliven, Orangen ?c.) im Freien gedeihen, jedoch
werden die gewöhnlichen Kulturpflanzen der gemäßigten Zone die Bedingungen
ihres Gedeihens vollauf fiudeu. Der Wiuter bringt bei uns die Vegetation
überall vollständig zum Stillstande und es hängt nun die Entwicklung der
Pflanze wesentlich davon ab, erstlich, wie früh sich die Wärme hinreichend er-
höht, um den Wiederbeginn der Vegetation zu gestatten, und sodann, wie
lange die Wärme den zur Entwicklung von Blüte und Frucht erforderlicheu
Höhegrad beibehält. Im allgemeinen beginnt in nnferm Vaterlande die Vege-
tation bei einem Tagesmittel von 5° ihre Entfaltung und erhält ihre För-
deruug oder Hemmung, je nachdem diese Temperatur sich erhöht oder vermindert.
In Ostpreußen kommt das Tagesmittel von 5" im Januar und Februar gar
nicht, im März selten, im April durchschnittlich 10—1t-, im Mai 25—26mal vor;
weit günstiger gestalten sich die Verhältnisse in dem südlichen Teile der norddeutschen
*) Vgl. Andree-Pefchel, „Physikalisch-statistischer Atlas des Deutschen Reiches";
H- Neumann, „Deutsches Reich"; A. Bernhardt, „Geschichte des Waldeigentums,
der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft in Deutschland" (1875); Grisebach, „Vege-
tation der Erde" (2. Aufl.).