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schauen kann. Auch in Paris suchen die Vereine die Mitglieder / zu¬
sammenzuhalten und die Geselligkeit zu fördern. Hauptsächlich verfolgt
diesen Zweck der Gesangverein „Klub Freundschaft", der jeden Freitag¬
abend in seinem Vereinshaus (Rue St. Augustin 5) Singstunden hält,
fast nur deutsche Kellner zu Mitgliedern hat und jeden ordentlichen
Ankömmling gern aufnimmt. Im Kreise froher Sänger vergißt man
beim kräftigen Schalle deutscher Lieder, daß man in fremdem Lande
weilt. Der Verein veranstaltet auch andere Vergnügungen, bei denen
eine unschuldige Fröhlichkeit zur Geltung kommt.
Nach zweijährigem Aufenthalte verließ ich Paris und kehrte nach
Deutschland zurück. Meine berufliche Ausbildung ist in jeder Hinsicht
gründlich und vortrefflich. Die englische und französische Sprache be¬
herrsche ich ziemlich sicher. An guter Stellung und lohnender Be¬
schäftigung hat es mir noch nicht gefehlt. Die geopferte Zeit trägt
schöne Früchte, und das verbrauchte Geld bringt reiche Zinsen.
Ob man noch nach Südfrankreich, nach Belgien und der Schweiz
oder gar auch nach Nordamerika gehen soll, hängt von den Umständen
ab. Nötig ist es aber nicht. Doch auf eine wichtige Sache möchte
ich noch besonders aufmerksam machen. Wer im Auslande lebt, soll
auch Land und Leute mit offenen Augen und aufmerksamen Blicken
betrachten, um die Charaktereigentümlichkeiten, die Sitten und Ge¬
bräuche kennen zu lernen. Verbringe, junger Freund, deine Freizeit
nicht mit Kartenklopfen und Kneipereien oder in Musikhallen, sondern
siehe dir die Städte und ihre Sehenswürdigkeiten, ihre Museen,
Galerien, Denkmäler und öffentlichen Gebäude, ordentlich an, laffe dich
darüber belehren und unterrichte dich selbst über vieles. Es ist un¬
verzeihlich, wenn du es vernachlässigst, in dieser Weise deinen Geist
zu nähren und zu bilden. Die Erinnerungen an diese Besuche und
Studien sind die schönsten und bleibendsten an die Fremde. Es macht
einen gar betrübenden Eindruck, wenn ein Mann, der mehrere Jahre
im Auslande zugebracht hat, an Gesprächen über Sehenswürdigkeiten
und Einrichtungen in der Fremde nicht teilnehmen und auf bezügliche
Anfragen keinerlei Auskunft erteilen kann. V UW jyM
c) Rechtsverhältnisse.'
45. Legen der Pflicht.
1. Es ist ein tiefer Segen,
der aus dem Wort dir spricht:
„Erfülle allerwegen
2. Welch Ziel du magst erstreben,
sei's nah, sei's hoch und fern, —
weiht nicht die Pflicht dein Leben,
so fehlt dein guter Stern;
der Stern, der wunderhelle,
mit reinem Himmelslicht
von seiner ewigen Quelle
dir zum Gewissen spricht.
getreulich deine Pflicht!"
Das nehme wahr dein Wille
wie gleichen Pendelschlag,
der nur erst, schweigt er stille,
die Ruh dir stören mag.