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tragenden, voran schritt der Kronprinz Wilhelm, ihm folgten die
Könige von Belgien, Rumänien und Sachsen mit dem Prinzen
Heinrich, an die sich das übrige Trauergefolge anschloß; den Schluß
des Leichenzuges bildeten Truppen des Gardekorps.
Der Zug vom Dom zum Mausoleum war der letzte Siegeszug
Kaiser Wilhelms, der Siegeszug zur Unsterblichkeit.
Und bald wieder sollten Trauerklänge aus dem Kaiserhause
dringen.
Hochsommer war's; der Juni mit seiner Blütenpracht in Feld
und Wald und Flur und Hain mußte dem edlen Dulder im Kaiser¬
schmuck, dem Kaiser Friedrich, Rosen zu Trauerkränzen winden. Am
1. Juni war der Kaiser trotz seines schwankenden Gesundheitszustandes
nach seinem Lieblingsschlosse „Friedrichskron" übergesiedelt, und hier
in dem Schlosse, in dem er einst geboren, hier sollte er auch sein
Leben beschließen. Am 16. Juni senkten sich die Schatten des Todes
tief herab und führten die Seele des königlichen Dulders in die
Gefilde, wo kein Leid, kein Weh noch Schmerzen mehr sein wird.
Kaiser Friedrich III. hatte ausgerungen. Mit ihm war ein Hohen-
zoller ins Grab gestiegen, der durch seine Leutseligkeit und Güte sich
die Herzen aller Deutschen, im Norden wie im Süden, erobert hatte
und der dem Reiche ein hoher Segen geworden wäre, wenn ihn nicht
der Tod so früh abberufen hätte. Sein Wort „Lerne leiden, ohne zu
klagen!" ist darum seinem Volke ein heiliges Vermächtnis geworden.
Und nun bestieg Kaiser Wilhelm II., unser jetziger allgebietender
Herr, den preußischen Königs- und deutschen Kaiserthron. Und was
er damals in seiner Proklamation an sein Volk gelobt, das hat er
gehalten: er ist nach dem Beispiele seiner Väter seinem Volke ein
gerechter und milder Fürst; er pflegt Frömmigkeit und Gottesfurcht;
er schirmt den Frieden; er fördert die Wohlfahrt des Landes, ist den
Armen und Bedrängten ein Helfer und dem Rechte ein treuer Wächter.
„Heil Kaiser Wilhelm II., Gott schütze,
Gott erhalte, Gott segne unsern Kaiser!"
Nach Verschiedenen.
190. Deutschland zur -Zee.
1. Bereits der Große Kurfürst hatte die Bedeutung der See als
Verkehrsstraße richtig erkannt und suchte sie in gewohnter Kraft und
Ausdauer seinem Lande, trotz seiner geringen Küstenentwicklung dienst¬
bar zu machen; denn der daniederliegende Handel Brandenburgs
bedurfte dringend der Belebung. Zur Sicherung der brandenburgischen
Flagge auf der See gründete der Kurfürst 1675 mit Hilfe des holländischen
Schiffsreeders Benjamin Raule eine kleine brandenburgische Flotte,
die sich im Kampf gegen schwedische und spanische Schiffe die ersten
kriegerischen Lorbeeren pflückte. Zur Zeit, als der Kurfürst seine
afrikanischen Kolonien gründete, bestand die junge Flotte bereits aus
fünfundsiebzig Schiffen mit rund dreihundert Kanonen. Aber die