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120 in ungeschwächter Kraft in scharf geführten Vorstößen über das
Tal herüber: man muß zum Sturm auf ihre starke Stellung
schreiten. General Kirchbach vom 5. Korps im Norden, General
Gersdorff, der Kommandant des 11., und nach dessen tödlicher
Verwundung General Schachtmeyer im Süden ordnen alle ver-
125 sügbaren Truppen zum umfassenden Angriff, und auf dem ganzen
Raum von den Wiesen an der Maas unten bis weit über Jlly
hinaus, wohl eine Stunde in der Länge, sieht man nun die
preußischen Angriffskolonnen gleichzeitig das Tal durcheilen und an
den Höhen emporstürmen. Die Verluste sind groß, sie wachsen mit
130 jedem Schritte vorwärts^ ganze Abteilungen müssen zurück, um in
der Tiefe sich von neuem zu sammeln, aber im großen und ganzen
schreitet die Bewegung unaufhaltsam von Stufe zu Stufe vorwärts,
und schon haben da und dort die Plänklerketten den Rand der
Hochfläche erreicht. General Felix Douay sieht mit Schrecken seine
135 Stellung bedroht, das Schicksal der ganzen Armee gefährdet, er
hat keine Reserven mehr dem Feind entgegenzuwerfen, es bleibt
ihm nichts übrig, als die Hingebung der Kavallerie zu erproben.
Und hochherzig folgt sie dem Rufe. Von dem Bois de la Garenne
her, hinter dem sie bisher gehalten, nähern sich mit einemmal acht
140 Regimenter im vollen Galopp. Es ist ein prachtvolles Schauspiel,
diese stolze Reitermasse, wie sie über die Hochfläche dahergesprengt
kommt, Kürassiere, Husaren, Chasseurs, Spahis: die weißen Mäntel,
die roten Käppis, die blinkenden Helme und Kürasse, die wallenden
Roßschweife, das alles wogt durcheinander; den Donner der Ge-
145 schütze überschallt das Schmettern der Signale; die Erde bebt
unter dem Hufschlag der Rasse; das Feuer der Granaten umkracht
und umschmettert die Schar; mit hochgeschwungenem Säbel, kühn
und wild, jagen sie heran, entschlossen, eine Lücke durch den Feind
zu reißen und alles zu zermalmen, was sie vor sich finden. Aber
150 fest und ruhig erwarten die Preußen den wütenden Anprall; in
nächster Nähe erst schleudern sie die tödliche Salve in die ge¬
schlossenen Reihen, und vor ihrem Schnellfeuer sinken die kühnen
Reiter wie gemähte Halme zu Boden. In einzelne Haufen zer¬
stäubt jagen die Übriggebliebenen weiter in rasendem Lauf, hierhin,
155 dorthin, einzelne bis über das Tal hinüber zu den Batterien empor,
daß die Kanoniere mit Wischer und Seitengewehr sich ihrer er-