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Anlagen antrat. Seine Erziehung und Bildung entsprachen den reichen
Vermögensverhältnissen, der tüchtigen Einsicht und dem arbeitsamen Bürger¬
sinne des vortrefflichen Vaters; die Mutter, eine Frau von bescheidenster
Einfachheit, Anspruchslosigkeit und Herzensgüte, hatte den einzigen Liebling
ihres Herzens nicht verwöhnt und verzärtelt.
Albert Borsig hatte die Hinterlassenschaft des Vaters mit Pietät an¬
getreten, alles ging in dem bisherigen Geleise unverändert und stetig vor¬
wärts. Der vermehrte Eisenbahnverkehr fiihrte den Maschinenbauanstalten
Zahlreiche Aufträge zu; der Lokomotivenbau gehörte zur eigentlichen Spe¬
zialität der Borsigschen Werkstätten. Der junge Borsig baute in dein
Jahre 1855 hundert dreizehn und im Jahre 1857 gar hundert-
einunddreißig Lokomotiven. Die 600. Lokomotive erhielt 1855 auf der
Pariser Weltausstellung die große goldene Medaille. Nach kaum 12 Jahren
war die zweitausendste, und am Todestage Albert Borsigs waren etwa
dreitausensiebenhundert Lokomotiven aus den Werkstätten hervor¬
gegangen. Doch sind es nicht Lokomotiven allein, die in den Borsigschen
Anstalten gebaut werden, auch Brücken, Dächer imb Maschinen sind hier
svrt und fort in Arbeit.
Um so Großes zu leisten, mußten die Anstalten wesentlich erweitert
werden. Es seien hier nur die Anlage und Eröffnung des Walzwerkes zu
Borsigfelde in Oberschlesien erwähnt. Schon der „alte Borsig" wollte
die schlesischen Eisenerze besser verwerten und die Industrie seiner arbeit-
famen Landsleute fördern. Die Mehrzahl seiner Arbeiter in Moabit waren
Schlesier. Kurz vor seinem Tode kaufte er bei Gleiwitz eine bedeutende
Flüche Landes, um hier die Kohlen und Eisenerze besser auszubeuten. Der
„junge Borsig" setzte die Arbeit beharrlich fort, legte Hohofen an, Hütten-
nnd allerlei Werke, eine weitausgedehnte Arbeiterstadt, eine Fabrikkolonie,
welche den Namen Borsigfelde erhielt. Im Oktober 1870 siedelten
400—500 Arbeiter dorthin iiber. Alle Bediirfnisse derselben finden hier
Befriedigung, wie kaum in einer größeren Stadt; keine Einrichtung zum
Wohle für Leib und Seele fehlt hier. So kam es, daß selbst in trüben
Zeiten das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer ein
vertrauensvolles war, daß die Arbeiter mit treuer Ergebung an ihrem
Fabrikherrn hingen; denn wie der „alte", so war auch der „junge" Borsig
ein sorgsamer Vater, ein treuer Freund seiner Arbeiter. — Leider war
beiden Borsig kein langes Leben vergönnt. Wie der Vater, so ist auch der
Sohn in den besten Mannesjahren aus dem Leben geschieden. Er starb
am 9. April 1878, noch nicht 49 Jahre alt.
Wie der „alte", ist auch der „junge" Borsig von Fürsten mit Titeln
nnd Orden, mit Ehren und Würden ausgezeichnet werden. Doch Titel und
Würden verfallen nnd werden vergessen. Aber so lange deutsche Industrie,
deutscher Fleiß in der Geschichte genannt werden, so lange wird auch der
Name Borsig mit Ehren genannt werden.
61. Joseph von Araunhofer.
Derselbe wurde am 6. März 1787 zu Straubing in Bayern geboren.
Sein Vater ernährte sich kümmerlich von dem Glasergeschäft. Frühzeitig
mußte das Söhnlein dem Vater in seiner Berufsarbeit zur Hand gehen,
so daß der kleine Joseph selten Zeit hatte, die Schule zu besuchen, und
Schürmann ». Windm ölle r, Lehr- u. Lesebuch f. Fortbildungs- u. Gewerbesch. I. B. 5