Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Wie kommt der Handwerker zu seinem Gelde? 
meine Klage wurde abgewiesen; ich mußte die Gerichtskosten 
zahlen und hatte den Ärger obendrein. Darum rate ich dir, schiebe 
solche Sachen nie auf die lange Bank! Handwerkerforderungen 
verjähren in zwei Jahren; wenn du also im Jahre 1899 eine Arbeit 
geliefert hast, dann hast du mit Ablauf des Jahres 1901 kein Recht 
mehr, sie einzutreiben, und das Gericht weist dich zurück.“ 
Am Tage nach dieser Unterredung beantragte Meister Streich 
beim Amtsgericht die mündliche Verhandlung seiner Sache und er¬ 
hielt auch bald eine Ladung. Pünktlich stellte er sich im Gerichts¬ 
gebäude ein und wartete, bis ein Gerichtsdiener rief: „Streich gegen 
Vogt.“ Der Meister trug seine Klage vor und war gespannt, was 
sein Gegner darauf antworten würde. Dieser gab zu, daß Streich 
ihm den Schrank geliefert hätte; doch wäre er mangelhaft gearbeitet 
und der dafür geforderte Preis um mindestens 10 Mark zu hoch. 
Meister Streich wußte, daß daran kein wahres Wort war, und wollte 
schon seinem Ärger laut Luft machen; der Amtsrichter aber be¬ 
deutete ihm, bei Gericht müsse alles in Ruhe und Ordnung hergehen; 
wenn Herr Vogt bestritte, daß die Arbeit gut und preiswert sei, 
dann müsse darüber Beweis erhoben werden; ob er nicht einen 
Sachverständigen vorschlagen könne. Meister Streich nannte den 
Obermeister der Schreinerinnung; Vogt erklärte sich einverstanden, 
und der Amtsrichter machte den streitenden Parteien bekannt, daß 
sie sich nach acht Tagen vor Gericht wieder einzufinden hätten. 
Am festgesetzten Tage erschien außer Streich und Vogt auch 
der Obermeister vor dem Amtsrichter und gab sein Gutachten dahin 
ab: der Schrank sei gut gearbeitet; allerdings habe er sich etwas 
gezogen, und die Tür schließe nicht genau; aber dies sei wahr¬ 
scheinlich darauf zurückzuführen, daß er an einer feuchten Wand 
und auf einem unebenen Fußboden stehe; der geforderte Preis von 
50 Mark sei angemessen. Vogt suchte noch einige Einwendungen 
zu machen; aber der Amtsrichter verurteilte ihn, seinem Gläubiger 
die geforderte Summe zu zahlen und die Prozeßkosten zu tragen. 
Auch wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. 
Streich hoffte nun, jetzt würde sich Vogt beeilen, seine Schuld 
abzutragen; aber dieser ließ nichts von sich hören. Infolgedessen 
erkundigte sich der Meister bei der Gerichtsschreiberei des Amts¬ 
gerichts, wie er sich zu verhalten hätte. Hier wurde ihm ausein¬ 
andergesetzt, rechtskräftig würde das Urteil erst mit Ablauf eines 
Monats nach der Zustellung an die Parteien; denn während dieser 
Frist könne dagegen Berufung an das Landgericht eingelegt wer¬ 
den. Da aber das Gericht das Urteil gegen Vogt für vorläufig voll¬ 
streckbar erklärt habe, so könne er es sogleich einem Gerichtsvoll¬ 
zieher übergeben und ihn beauftragen, die Summe von Vogt einzu¬ 
ziehen. Der Auftrag an den Gerichtsvollzieher wurde sogleich auf 
Streichs Wunsch durch den Gerichtsschreiber vermittelt, und nach 
wenigen Tagen erschien der Gerichtsvollzieher beim Inspektor Vogt 
und forderte ihn auf, seine Schuld zu zahlen. Vogt sah ein, daß 
ihm einige Möbel gepfändet werden würden, wenn er nicht bezahlte, 
und so entrichtete er die Schuldsumme, die der Gerichtsvollzieher 
sogleich dem Schreinermeister zusandte.
	        
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