Die Wanduhr und die Schwerkraft.
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Damals glaubte man noch steif und fest, ein Stein von zehn
Pfund Gewicht falle zehnmal so schnell, wie ein Stein der ein Pfund
schwer sei, und eine goldene Kugel müsse schneller fallen, als eine
gleich große eiserne. Galilei bestieg den schiefstehenden Turm von
Pisa, ließ von dort aus zwei Steine von ungleichem Gewicht herab¬
fallen und zeigte, daß sie gleichzeitig auf dem Erdboden anlangten.
Er fand auch, daß die Fallbewegung eine beschleunigte Be¬
wegung sei, und daß die Beschleunigung nach bestimmten Gesetzen
vor sich gehe. Ebenso beobachtete er das Pendel und erforschte
die für dieses geltenden Gesetze.
Hake nun einmal das Uhrpendel vorsichtig aus und hänge es
an einen Nagel! Dabei wirst du merken, daß es auch Gewicht be¬
sitzt. Bringst du es nun mit dem Finger aus dem Gleichgewicht,
so fühlst du, daß es nach unten strebt. Da es aber aufgehängt ist,
so kann es nicht senkrecht fallen, sondern muß einen Kreisbogen
beschreiben, um den tiefsten Punkt zu erreichen. Allein warum
bleibt es denn dort nicht stehen, sondern strebt darüber hinaus, um
auf der andern Seite wieder in die Höhe zu steigen ? Das kann
doch nicht die Schwerkraft bewirken! Ganz recht, es hat eine andere
Ursache. Alle in Bewegung befindlichen Körper haben nämlich
das Bestreben, bei der Bewegung, die sie einmal haben, in unver¬
änderter Geschwindigkeit und Richtung ohne Aufhören zu beharren,
und dieses Bestreben nennt man das Beharrungsvermögen.
Eine Folge dieses Vermögens ist es z. B., daß ein galoppierender
Reiter über den Kopf seines Pferdes hinausfliegt, wenn sich dieses
plötzlich in seinem Laufe gehemmt sieht. Das Beharrungsvermögen
läßt auch das Pendel über den tiefsten Punkt hinausfliegen und so
hoch steigen, wie du es vorher auf der entgegengesetzten Seite ge¬
hoben hattest. Indessen bewegt es sich mit abnehmender Geschwin¬
digkeit, weil die Schwerkraft dem Beharrungsvermögen entgegen¬
wirkt. Deshalb muß das Pendel endlich Halt machen und umkehren,
und so ohne Aufhören hin und her schwingen und immer gleich
weit nach links und rechts ausschlagen. Dabei braucht es für jede
Schwingung genau dieselbe Zeit und dies ist, wie wir sehen werden,
für die Verwendung des Pendels zur Zeitmessung von der größten
Wichtigkeit.
„Aber,“ wirfst du ein, „die Schwingungen unseres an der Wand
aufgehängten Pendels werden doch immer kürzer, und endlich bleibt
das Pendel stehen!" Diese Tatsache läßt sich freilich nicht leugnen;
allein du kannst es aufs Wort glauben: das Pendel würde fortge¬
setzt schwingen, wenn sich nicht seiner Bewegung zwei Hinder¬
nisse entgegenstellten, die sich bei jeder andern Bewegung, bei
jeder Maschine störend bemerkbar machen, nämlich der Widerstand
der Luft und die Reibung. Sie wirken dem Beharrungsvermögen
so lange entgegen, bis das Pendel endlich still steht.
2. Nunmehr wird es dir jedoch wunderlich vorkommen, daß
das Pendel alsbald fortgesetzt schwingt, wenn du es wieder an der
Wanduhr anbringst. Jetzt müssen doch jene beiden Hindernisse
überwunden sein; aber wie hat man dies zu stände gebracht?
Durch eine ebenso einfache, wie sinnreiche Vorrichtung. Das Pendel