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für Ostpreußen; die Länder am Rheine wollten nichts für Brandenburg
opfern. Das stehende Heer aber schützte alle Landesteile in gleicher Weife, und
darum ließ Friedrich Wilhelm die Staatseinnahmen fortan in ein und dieselbe
Staatskasse fließen. Dadurch bekamen die Bewohner der verschiedenen Gebiete
allmählich das Gefühl, daß sie einem größeren, allgemeinen Staatsganzen an¬
gehörten, daß sie nicht mehr klevische, märkische oder ostpreußische, sondern
brandenburgische Unterthanen waren. Die Beamten wurden fortan
nicht bloß in ihrer engeren Heimat angestellt, sondern nach Bedarf in allen
Teilen Kurbrandenburgs verwendet. So wurde ein Verkehr zwischen den
Bewohnern der verschiedenen Landesteile hergestellt, durch den das Gefühl
der Zusammengehörigkeit mehr und mehr gestärkt wurde. Nach W. Pierson u. a.
*246. König Friedrieh Wilhelm I. als Volkswirt.
1. Nicht durch glänzende Kriegsthaten hat sich der zweite
preussische König hervorgethan; vielmehr sind seine Erfolge auf
dem Gebiete der Staatsverwaltung und der Volkswirtschaft zu suchen;
aber hier hat er wahrhaft Grosses geleistet.
Als Friedrich Wilhelm I. den Thron bestieg, stand es um die
Finanzen des Staates infolge der Erhebung Preussens zum König¬
reich und der wenig ergiebigen Verwaltung der königlichen Güter
oder Domänen keineswegs gut. Es war daher nötig, dass Ordnung
und Sparsamkeit eingeführt wurde. Der König setzte die Ausgaben
des Hofstaates unverzüglich auf ein Fünftel seiner früheren Höhe
herab. Silberne Kronleuchter und Tafelaufsätze schickte er in die
Münze und schaffte allen Luxus ab. Täglich liess er sich den Küchen¬
zettel vorlegen und strich zu teure Speisen; für wirklich nützliche
Ausgaben aber, welche die Wohlfahrt des Landes förderten, hatte
und gab er immer Geld.
Bisher waren die königlichen Güter als Privateigentum der
königlichen Familie betrachtet, ihr Wert durch Zerstückelung und
erbliche Verpachtung vermindert und ihre Erträge für den Hofstaat
verbraucht worden. Gleich zu Anfang seiner Regierung verfügte
Friedrich Wilhelm I. durch ein Hausgesetz, dass die Domänen un¬
veräusserlich seien, und erklärte das Privateigentum des Hohenzollern-
schen Hauses für Staatsgut. Damit gab er ein in jener Zeit uner¬
hörtes Beispiel der Unterordnung unter das Gemeinwesen, an dem
sich die Domänenpächter, welche sich die Umwandlung der Erbpacht
in die Zeitpacht gefallen lassen mussten, trösten konnten. Folgerichtig
nahm nun auch der König der Verwaltung der gesamten Krongüter
die Selbständigkeit und ordnete sie einer obersten Staatsbehörde unter,
die er ins Leben rief. In der Einsamkeit seines Jagdschlosses ent¬
warf der König, ohne einen Minister zu Rate zu ziehen, das Gesetz,
durch welches er das „General-Oberste-Finanz-, Krieges: und Domänen-
Direktorium“ oder kurz das „General-Direktorium“ als oberste Behörde
einsetzte, in welcher die verschiedenen Behörden, die bis dahin be¬
standen hatten, vereinigt wurden. Nur die Oberrechnungskammer
wurde dieser Centralbehörde zum Zwecke strenger Beaufsichtigung
zur Seite gestellt. Der König führte im General-Direktorium selbst
den Vorsitz, und die Mitglieder teilten unter sich die Geschäfte nach
Fächern und Provinzen. Minister wie Räte mussten im Sommer