Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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um 7, im Winter um 8 Uhr zu den Sitzungen erscheinen. War ein 
Minister ohne Entschuldigung eine Stunde zu spät zur Stelle, so 
hatte er eine Geldstrafe von 100 Dukaten zu erlegen; wer zweimal 
ohne Erlaubnis fehlte, hatte Absetzung zu gewärtigen. In den Sit¬ 
zungen sollte jedesmal „alle und jede Sache abgethan werden, damit 
nicht ein Zettel davon übrig bleibe“. So gewöhnten sich die Beamten 
an feste Ordnung, unablässige Thätigkeit und sorgsame Überwachung. 
Die Grundsätze, die der König für alle Amtsthätigkeit aufstellte, sind 
bis heute unverändert geblieben. Er forderte von den Beamten mit 
aller Strenge Pflichttreue und Gehorsam, Tugenden, die er selbst im 
höchsten Masse besass und übte, und durch die das preussische Be¬ 
amtentum bald den ersten Rang einnahm. Die peinlichste Sorgfalt 
und Pünktlichkeit, die Aufbietung aller Kräfte, strenge Ordnung und 
Unbestechlichkeit zeichnen seitdem den preussischen Beamten aus. 
Friedrich Wilhelm I. war ein guter Landwirt, was die muster¬ 
hafte Bewirtschaftung und Verwaltung der Domänen am besten 
bewies. In Ostpreussen lagen noch grosse Landstrecken wüst. Dort¬ 
hin verpflanzte der König Bauernfamilien aus dem Magdeburgischen 
und der Grafschaft Mark; auch erliess er in öffentlichen, selbst aus¬ 
ländischen Blättern Aufforderungen zur Einwanderung. Denen, die 
der Einladung Folge leisteten, sagte er Befreiung vom Kriegsdienst 
und von Abgaben und Lieferung von Bauholz, Kalk und Steinen zu. 
Eine grossartige Unternehmung war die Urbarmachung des Havel- 
und Ehinbruchs, welcher mehr als 1000 qkm Bodenfläche umfasste. 
Während des strengen Winters von 1718 auf 1719 liess der König 
die Pläne und Kostenanschläge für die Entwässerung des Landes 
aufnehmen, und bereits nach 5 Jahren war das ganze Werk vollendet. 
Drei schiffbare Kanäle, zusammen 100 km lang, und eine Anzahl 
kleinerer Kanäle waren gegraben, Dämme und Wege, Brücken und 
Schleusen gebaut und viele Morgen für den Ackerbau gewonnen. 
Auf die Hebung der Gewerbthätigkeit war der König nicht minder 
bedacht. Allerdings gingen manche Luxusgewerbe zu Grunde, weil 
er allem unnützen Aufwand feind war und seine Unterthanen ihm 
hierin nacheiferten; aber im ganzen wusste er doch die Industrie- 
thätigkeit zu steigern. Er wünschte, dass das Geld möglichst im 
Lande bleibe, weshalb alle Lebensbedürfnisse im Inland hergestellt 
werden mussten. Daher vermehrte er die bereits bestehenden Ein¬ 
fuhrverbote fremder Waren und fügte Ausfuhrverbote einheimischer 
hinzu. Dieses Verfahren kam besonders der Baumwollen-Industrie 
zu gute. Friedrich Wilhelm verbot seinen Unterthanen, anderes als 
märkisches Tuch zu tragen und liess seine Soldaten nur mit inländi¬ 
schen Zeugen bekleiden. Er zog Spinner, Weber und Färber ins 
Land und brachte so die märkische Tuchmacherei wieder in den 
guten Ruf, den sie im Mittelalter gehabt hatte. Überhaupt zog der 
König ausländische Handwerker ebenso gern nach Preussen, wie 
fremde Bauern, weil dadurch manches Handwerk gefördert wurde. 
Allein er richtete auch auf die Handwerksordnung sein Augenmerk. 
2. Kein Lehrling sollte angenommen werden, der nicht lesen 
und schreiben könnte. Dagegen verlangte er auch, dass ,,die Meister 
ihre Lehrjungen in gebührender Zucht halten und sie zur Gottes¬
	        
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