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Die Julisonne brannte heiß auf des Königs Wagen; da war es ihm
ein Labsal, daß hier und da bereits die auf seine Anordnung an den Wegeil
gepflanzten Obstbänme, Pappeln und Rüstern Schatten spendeten. Manche
Ortschaften waren durch die Wollspinnereien, welche infolge der verbesserten
Schafzucht sehr in Aufnahme gekommen waren, bedeutend in ihrem Wohl¬
stände gehoben worden. Bisweilen drängte sich ein Bäuerlein an des Königs
Wagen, um ihm eine Bittschrift zu überreichen. Der Bittsteller konnte über-
zengt sein, daß er in Kürze Antwort erhalten werde, wie alle jene Bitten¬
den, welche sich bei der Anwesenheit des Königs in Potsdam an der „Bitt-
schristenlinde" vor dem Stadtschlosse alltäglich einzufinden pflegten. In
Protzen stand der General von Zieten vor seinem Edelhofe, und der König
ließ halten und stieg aus, um den alten Kriegshelden zu ehren. Nachdem
er sich eine Weile mit ihm unterhalten hatte, ging die Fahrt weiter. Wo
neue Pferde vorgespannt wurden, verließ der König den Wagen, sprach mit
diesem oder jenem und besichtigte auch wohl die in den meisten Dörfern
angepflanzten Maulbeerbäume. Um die einheimische Seidenindnstrie zu heben,
mußte nämlich jeder Bauer vier solche Bäume pflanzen, und auch Geistliche
und Lehrer mußten sich darum kümmern. Hier und da warf Friedrich einen
Blick ans einen Obstgarten. Wenn sich ein Bauer in Obstzucht und Garten¬
bau hervorthat, so erhielt er ein besonderes Lob.
Der Oberamtmann Fromme diente dem Könige als Führer. Friedrich
fragte ihn nach jeder Einzelheit genau aus, vornehmlich aber darnach, ob
es den Bauern wohl erginge. „Ja, Majestät," antwortete Fromme, „kiirz-
lich hat ein Bauer allein 10000 Thaler in der Bank hinterlassen." Darüber
freute sich Friedrich. „Ja, es ist recht gut, Majestät," meinte der Amtmann,
„daß der Unterthan Geld hat; aber er wird auch übermütig, wie die Bauern
hier, welche mich schon siebenmal bei Ew. Majestät verklagt haben, um vom
Hofdienste frei zu sein." „Werden wohl auch Ursache dazu gehabt haben,"
gab der König kurz zur Antwort. Beim Weiterfahren kam der König an
einer Gruppe Bauern vorbei, welche Roggen mähten. Sie bildeten an den
Wegseiten zwei Reihen, strichen ihre Sensen und ließen grüßend den König
hindurchfahren. Ans diese Weise statteten sie ihm ihren Dank dafür ab, daß
er ihre Hofdienste auf drei Tage in der Woche beschränkt hatte, und sie gegen
die Mißhandlungen und Stockschläge von Beamten und Gutsherren in Schutz
nahm (s. Nr. 251). Im Dorfe Barsekow trat die Frau von Grießheim an
den Wagen des Königs, um sich für die ihrer Familie geschenkten zweihundert
Morgen Landes zu bedanken. Der König hatte dadurch der verarmten Familie
aufhelfen wollen, wie er überhaupt den Landadel durch Vorschüsse an Geld
und Saatkorn, sowie durch Gründung von Leihbanken zu unterstützen suchte;
denn Friedrich suchte dem Landadel den Besitz der Güter zu wahren und
sah es ungern, wenn ein Bürgerlicher ein adeliges Gut kaufte. Am nächsten
Tage ging die Fahrt ins Magdeburgische hinein, wo Bruchland urbar ge¬
macht wurde, und dann nach Potsdam zurück.
So reiste der König oftmals durch das Land. War er dann in seine
Residenz zurückgekehrt, so bemerkten die Bewohner der besichtigten Gegend
bald, daß ihr König ein scharfes Auge für alles hatte. Hier wurde eine
Kirche ausgebessert, dort ein verfallener Edelhof; auf sandiger Scholle wurden
Kienäpfel gesät; die Fischzucht wurde gehoben und der Anbau von Futter¬
kräutern und Obstbüumeu gefördert. Na» Edwin E»e,s.