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(s. Nr. 255) die Macht der Polizeibehörden nicht ausreicht, schreitet auf
Antrag der Civilbehörden die bewaffnete Macht ein; auch hat unter
solchen Umständen der Kaiser das Recht, jeden Teil des Bundesge¬
biets in Kriegszustand zu erklären. Mit diesem Augenblicke geht
die vollziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber über, deren An¬
ordnungen alle Civil Verwaltungsbehörden Folge zu leisten haben.
Die Truppenkörper des früheren Deutschen Bundes vermochten
infolge ihrer lockeren Verbindung und ungleichmäßigen Ausbildung
dem von wohlgerüsteten Grossmächten umschlossenen Deutschland
keinen genügenden Schutz zu gewähren. Darum war auch die Durch¬
führung einer zweckmässigen und einheitlichen Heereseinrichtung
eine der ersten Aufgaben des neugeeinten Deutschen Reiches. Bei
Schaffung des Reichsheeres wurden die preussischen Heereseinrich¬
tungen zu Grunde gelegt, die seit Scharnhorst (s. Nr. 251) auf der
festen Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht ruhten. Das Reichs¬
heer setzte sich fortan aus den Kontingenten der verschiedenen Ein¬
zelstaaten zusammen, und diese behaupteten insofern ihr Sonderrecht,
als neben der Reichshoheit eine Kontingentshoheit sich forterhielt.
Der Gegensatz zwischen beiden wird indessen schon dadurch wesent¬
lich abgeschwächt, dass sie für Preussen und das Reichsland in der
Person des Kaisers zusammenfallen. Ein ähnliches Verhältnis ist in
einer Reihe anderer Staaten durch Abschluss von Militärkonventionen
herbeigeführt, so dass die einzelnen Kontingente mehr oder weniger
in dem preussischen Kontingente aufgegangen sind. Als besondere
Kontingente sind nur die Armeekorps der Königreiche Bayern, Würt¬
temberg und Sachsen bestehen geblieben, und den beiden letztgenann¬
ten Staaten sind in noch weiterem Umfange gewisse Vorrechte einge¬
räumt worden.
Ein gemeinsames Band umschlingt diese Kontingente in der
Reichs-Militärverfassung, welche ihre Wirkung nach vier Richtungen
hin äußert:
1. Der Heeresaufwand wird aus Reichsmitteln bestritten. Die
Friedensstärke, die im allgemeinen einem Prozent der Bevölkerung
entsprechen soll (jetzt 479229 Mann, Kriegsstärke etwa 4300000 Mann),
wird durch Reichsgesetz festgestellt und unterliegt der periodischen
Bewilligung.
2. Das Heer steht in Krieg und Frieden unter dem Oberbefehl
des Kaisers. Er hat das Recht der Besichtigung und bestimmt —
soweit nicht Feststellungen durch Gesetz getroffen sind — über
Stärke, Gliederung, Verteilung und Heeresdisciplin. Er befiehlt die
Kriegsbereitschaft und ernennt die höheren — in den durch Konven¬
tion verbundenen Kontingenten auch die niederen — Offiziere. Die
Bundesfürsten sind oberste Befehlshaber der zu ihren Kontingenten
gehörigen Truppenteile und haben das Recht, diese zu besichtigen.
Der König von Württemberg hat ein weitergehendes Ernennungs¬
und Verteilungsrecht; in Bayern steht dem Kaiser im Frieden über¬
haupt nur das Recht der Inspektion zu.
3. Die Gesetzgebung über das Militärwesen steht dem Reiche
ausschließlich zu.
4. Einrichtung, Ausbildung und Bewaffnung sind einheitlich
geregelt.