hat einen eigenen Reiz, anch einmal selbst Geld zn verdienen oder den Gewinn
unter die Armen zn verteilen. Wer es versteht, erzählt Märchen oder schaner-
liche Geschichten, um die Arbeit zn kürzen.
Nun aber geht die Not an. Die Hopfenblüten sollen getrocknet werden,
und oft fehlt es an Platz dazu. Alle entbehrlichen Kammern werden geleert,
und die Hansfran öffnet selbst ihren Trockenboden für einen guten Bekannten,
der sie dann dafür im Winter mit einer fetten Schlachtschüsfel beschenkt.
Wenn die Ernte gerät, so kann der Gewinn sehr bedeutend sein. Hand¬
werksgesellen und Näherinnen legen darum ihren Erwerb in Hopfengärten
an; sogar Schnlknaben haben oft schon ein paar eigene Stöcke in einer Ecke
des väterlichen Gartens. Die Spannung und Bewegung zur Zeit des Ver¬
kaufs ist allgemein; denn in einem und demselben Herbste schlagen die Preise
gewöhnlich außerordentlich ans. Heute kostet der Centner Hopfen vielleicht
150, in vier Wochen aber 400 Mark. Mancher, der vor vier Wochen
schon losgeschlagen hat, ärgert sich nun doppelt, einmal über seine Voreilig¬
keit, die ihn unter Umständen Tausende von Mark kostet, und znm andern
vielleicht über des Nachbars Glück, der durch ruhiges Abwarten zn einem
schönen Gewinn gekommen ist. Ottilie Wildermuth.
*75. Die Haubergswirtschaft im Siegerlande.
1. Wandert man über die Berge des Siegerlandes, so schweift der Blick
über die Hochebene des Westerwaldes bis zn den fernen Kuppen des Sieben¬
gebirges. Stundenlang kann man durch Hochwald schreiten, ohne einem
Menschen zn begegnen; die Bergabhänge aber sind mit niedrigem Waldwuchs
bedeckt, zwischen dem man stellenweise weite, mit Korn besäte Bodenstrecken
gewahrt. Sonderbar scheint es nur, daß ans dem Getreide niedrige Eichen-
nnd Haselbüsche hervorlngen. Man steht nämlich ans einem Hanberge, und
das Getreidefeld war noch im vorigen Jahre ein Lohschlag.
Die Hanberge sind Eigentum der Dorfgemeinde, in deren Gebiet sie
gelegen find. Ihre Ausdehnung ist in den einzelnen Gemeinden sehr verschieden.
Die Besitzer eines Hallbergs bilden eine Art von Genossenschaft, der fast
nur die alteingesessenen Einwohner der Geliieiilde angehören. Sie teilen ihren
gemeinsamen Besitz in mehrere Schläge; jedes Jahr wird ein Schlag abgeholzt.
Der Haubergsvorsteher nimmt bei Beginn des Frühlings in Gemeinschaft
mit einigen sachverständigen Genossen die Teilung des abzuholzenden Schlages
in einzelne Streifen vor, die den Teilhabern durch das Los zugewiesen werden.
Bewaffnet mit Handbeil und Sichel ziehen nun die Männer in den Hauberg
und hauen die Birken-, Erlen- und Nnßstrüncher ab. Knaben ordnen sie auf
Hansen, und Frauen und Mädchen binden sie zn „Schanzen" zusammen.
Nun beginnt das Lohschälen. Mit dem Lohschanfler, einemchalbkngelförmigen,
an einem Stiel befestigten Eisen, wird die Rinde von den Ästen und Stämmen
der stehen gebliebenen Eichenbänmchen losgelöst. Nachdem man sie einige
Tage hat trocknen lassen, wird sie in „Bürden" gebunden und an die Gerbereien
im 'Thale verkauft, in denen jährlich über 100000 Häute, meist Wildhänte
ans Südamerika, zn Sohlleder verwandelt werden. Für einen Centner Lohe
erhält man gegenwärtig kaum 5 Mark, während man früher bis zn 9 Mark
dafür löste. Ein fleißiger Lohschäler gewinnt in einem Tage 1—l1/a Centner
Lohe. Ist die Lohernte beendigt, so werden die geschälten Eichenstämme
abgehauen und von den Ästen befreit. Ein Centner des so gewonnenen Brenn¬
materials hat etwa 45 Pfennig an Wert.