Full text: Lesebuch für Fortbildungsschulen

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Volkswirtschaft. 
No. 46. 
46. Das Kleingewerbe. 
Ä^ie alles in der Welt der Veränderung unterworfen ist, so auch 
das Gewerbewesen insbesondere. Nachdem Jahrhunderte hindurch 
Meister, Gesellen und Lehrlinge durch Handarbeit mit Hilfe von weni¬ 
gen Werkzeugen und nur in kleineren Werkstätten gearbeitet hatten, 
droht jetzt das Maschinenwesen und die Großindustrie der Fabriken, 
mit ungeheurer Geldmacht ausgerüstet, alle die einzelnen kleinen Meister¬ 
schaften und Werkstätten zu vernichten. Daher wird von seiten des Hand¬ 
werks in unserer Zeit vielfach über das Maschinen- und Fabrikwesen ge¬ 
klagt; allein solche Klagen sind vergeblich einer Macht gegenüber, die sich 
immer mehr erweitert und vergrößert. Da gilt es, frisch, mutig und männ¬ 
lich das Unvermeidliche zu erfassen, es zu seinem Vorteile umzuwandeln, 
sich im Sturze zu erhalten. Der deutsche Gewerbestand hat schon viel 
größere Hindernisse und Mißstände überwunden, z. B. damals, als er 
sich in den Tagen des Mittelalters aus der Schmach und dem Elend 
der Sklaverei, der Hörigkeit und der Leibeigenschaft losgerissen hat; 
und er hat gesiegt. So wird auch der gegenwärtige Gewerbestand, 
falls er sich in den Besitz der von der Zeit geforderten Tüchtigkeit setzt, 
siegreich aus allen Gefahren hervorgehen; er wird immer Städte füllen, 
immer ein geachteter, wohlhabender Stand bleiben, immer eine Haupt¬ 
stütze des Staates, eine Quelle des Reichtums, die Ehre und der Stolz 
des Landes sein, in welchem er seine Werkstätten erbaut hat. Auch 
dem Bedrohlichen, was das Maschinenwesen an sich hat, kann der 
Handwerksstand siegreich entgegentreten, sobald er sich dahin er¬ 
hebt, wohin jenes nicht zu folgen vermag, wozu eben nur die Hand 
gebraucht werden kann, und das ist eine tüchtige, kunstreiche Arbeit, 
in deren Erzeugnissen Kunstsinn und technische Fertigkeit, Kunst¬ 
geschmack und sorgfältiger Fleiß, Schönheitsgefühl und praktische Brauch¬ 
barkeit verbunden sind. 
Manchen Leuten will es scheinen, als vermöge der kleine Hand¬ 
werker dem Großbetrieb gegenüber nur noch Ausbesserungen vorzuneh¬ 
men oder mit den Erzeugnissen srines Gewerbes zu handeln. Aller¬ 
dings ist es richtig, daß z. B. der Flaschner die Lampen besser und 
billiger in der Fabrik kauft, als erste selbst herzustellen vermag. Darum 
thut er klug, sich bei diesem und manchem andern Artikel auf den 
Handel und auf die Vornahme von Ausbesserungen zu beschränken.
	        
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