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Y. Im Weltverkehr und im Vaterlaude.
kommt Deutschland an zweiter Stelle. Der Güte nach aber ist unsere
Handelsflotte die erste der Welt; denn sie hat schnellere, größere und
jüngere Schiffe als die Flotten der anderen Staaten. Während die
Leistungsfähigkeit der Welthandelsflotte sich 1870—1900 reichlich um
das anderthalbfache steigerte, die Englands sich verdreifachte, die Lei¬
stungsfähigkeit der amerikanischen Handelsflotte aber sogar zurückging,
stieg die Leistungsfähigkeit der deutschen auf das Vierfache. Ihr Wert
verdoppelte sich in dieser Zeit, und noch immer ist der Anteil der
deutschen Flotte an der Weltflotte in schnellem Steigen begriffen. Zwar
besteht unsere Flotte der Zahl nach noch zu 7/12 aus Seglern; doch
nehmen von dem Raumgehalte die Dampfschiffe 80% für sich in Anspruch.
Den Hauptanteil am deutschen Seeverkehre haben Preußen, Hamburg und
Bremen. In geringerem Maße sind Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin
und Lübeck beteiligt. Der Handelsverkehr auf der Ostsee hat eine neue
Anregung durch den Nordostseekanal erfahren. Dieser wurde im
Jahre 1907/08 von fast als 35000, täglich also im Durchschnitt von
96 Schiffen benutzt. Eine Steigerung erfuhr unser Seehandel durch
die Verstärkung unserer Kriegsmarine, die ihm den nötigen Schutz
gewährt und den Besitz unserer Kolonien sicherstellt. Zwar ist unsere
Kriegsflotte nach der Zahl der Schiffe längst nicht die bedeutendste,
da sie von den Flotten Englands, Frankreichs und Amerikas übertroffen
wird; doch kommt sie, wenn man nur die gepanzerten Fahrzeuge und
die Qualität ihres Schiffmaterials berücksichtigt, schon an dritter Stelle.
1908 hatte sie 93 Panzerschiffe, darunter 26 moderne Schlachtschiffe,
Linienschiffe, mit mehr als 10000 t Wasserverdrängung (5 weitere waren
im Bau), 5 Panzerschiffe von 5000—7500 t, 8 Küstenpanzerschiffe,
11 Panzerkanonenboote, 15 größere und 28 kleinere Kreuzer (weitere 2
bzw. 4 Kreuzer waren im Bau). Die weitere Vermehrung der deutschen
Flotte regelt das Flottengesetz vom 14. Juni 1900 und das vom 6. April
1908, das über die Außerdienststellung veralteter Schiffe günstigere
Bestimmungen getroffen hat. Fr. Stocke.
152. Kaiserworte über die deutsche Schiffahrt.
1. „Neu ist unser Handel nicht; war doch die Hansa eine der ge¬
waltigsten Unternehmungen, welche die Welt gesehen, und es vermochten
einst die deutschen Städte Flotten aufzustellen, wie sie bis dahin der
breite Meeresrücken wohl kaum getragen hatte. Sie verfiel aber und
mußte verfallen, weil die eine Bedingung fehlte, nämlich die des kaiser¬
lichen Schutzes. Jetzt ist es anders geworden. Das Deutsche Reich ist
geschaffen; der deutsche Handel blüht und entwickelt sich, und er kann
sich nur gedeihlich und sicher entwickeln, wenn er unter der Reichs¬
gewalt sich sicher fühlt. Möge dem deutschen Kaufmann draußen und
vor allen Dingen dem Fremden, auf dessen Boden wir sind, oder mit
dem wir zu tun haben werden, klar sein, daß der deutsche Michel
seinen mit dem Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden
gestellt hat, um dem, der ihn um Schutz angeht, ein für allemal diesen
Schutz zu gewähren, und mögen unsere Landsleute draußen die Über¬