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Weiß ich recht zu schauen
Schönheit, Huld und Zier,
Hilf mir Gott, so schwör’ ich, daß sie besser hier
Sind als andrer Länder Frauen.
3. Züchtig ist der deutsche Mann,
Deutsche Frau’n sind engelschön und rein;
Töricht, wer sie schelten kann,
Anders wahrlich mag es nimmer sein:
Zucht und fromme Minne,
Wer die sucht und liebt,
Komm’ in unser Land, wo es noch beide gibt.
Lebt’ ich lange nur darinne!
Walter von der Vogelweide.
181. Ein Blick in Deutschlands Vorzeit.
CVür Deutschland liegt die unbekannte Vorzeit nicht allzuweit zurück.
In den Tagen, da am Euphrat und am Nil mächtige Knlturreiche
blühten, ja selbst noch zur Zeit der Griechen, von der wir genau unter¬
richtet sind, war Deutschland ein geschichtsloses Land. Keine Aufzeichnungen
melden uns aus diesen Zeiten vom Leben und Tun der Bewohner unseres
Vaterlandes, kein Geschichtschreiber hat die Taten früherer Heerführer,
die Verschiebungen der Volksstämme der Nachwelt aufbewahrt.
Aber auf anderem Wege vermögen wir uns dennoch ein Bild zu
machen von der Kulturhöhe der vorgeschichtlichen Bewohner Deutschlands.
Was dem Höhlenbewohner im täglichen Leben verloren ging und dann
im schützenden Grunde der Höhle durch Jahrtausende bewahrt blieb; was
beim Brande der Pfahlbaudörfer in den Schlamm am Grund des Sees
versank; was liebevoller Sinn den Verstorbenen mit ins Grab gab: die
Waffen des Mannes, den Schmuck der Frau, das Spielzeug des Kindes —
die Wißbegierde unserer Zeit zieht es ans Tageslicht und vor unserem
geistigen Auge entsteht ein längst vergangenes Geschlecht. Wir kennen
seine Hantierung und Lebensweise, seine Kleidung und seine Waffen,
ja selbst über seine Handelsbeziehungen gibt uns der eine oder andere Fund
Aufschluß.
Steine, Knochen, Hörner und Geweihe erlegter Jagdtiere bildeten
die ersten Rohstoffe für Geräte und Waffen der vorgeschichtlichen Menschen.
Mit scharfem Schlage wurden vom Feuersteine und von ähnlichen Gesteins¬
arten Späne abgesplittert; sie dienten als Messer und Säge; auch Pfeil-