79. Heinrich Schliemann.
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allen Wechselfällen meiner ereignisreichen Laufbahn nie verlassen
hat! — Aber erst im Herbst meines Lebens sollte ich diese Kinder¬
träume von vor 50 Jahren ausführen können.
Im Alter von 14 Jahren trat ich als Lehrling bei Ernst Ludwig
Holtz in Fürstenberg ein. Fünf und ein halbes Jahr diente ich in
diesem Krämergeschäft. Meine Tätigkeit bestand in den: Einzel¬
verkauf von Heringen, Butter, Kartoffelbranntwein, Milch, Salz,
Zucker, Ol und Talglichtern, in dem Ausfegen des Ladens und
ähnlichen Dingen. Natürlich kam ich hierbei nur mit den untersten
Schichten der Bevölkerung in Berührung. Von 5 Uhr morgens
bis 11 Uhr abends war ich in dieser Weise beschäftigt und mir blieb
kein freier Augenblick zum Studieren. Aber meine Liebe zu den
Wissenschaften verlor ich trotzdem nicht und so wird mir auch, so¬
lang ich lebe, jener Abend unvergeßlich bleiben, an dem ein be¬
trunkener Mann, der einst bessere Tage gesehen hatte, in unserem
Laden uns einige Hundert Verse Homers mit vollem Pathos vor¬
trug. Obwohl ich kein Wort davon verstand, machte die melodische
Sprache doch den tiefsten Eindruck auf mich und entlockte mir heiße
Tränen über mein unglückliches Geschick. Dreimal mußte er mir
die göttlichen Verse wiederholen und ich bezahlte ihm dafür drei
Gläser Branntwein, für die ich die wenigen Pfennige, die gerade
mein ganzes Vermögen ausmachten, gern hingab. Von jenen:
Augenblick an hörte ich nicht auf Gott zu bitten, daß er in seiner
Gnade mir das Glück gewähren möge, einmal Griechisch lernen
zu dürfen.
Doch schien sich mir nirgends ein Ausweg aus der traurigen
und niedrigen Stellung eröffnen zu wollen, bis ich plötzlich wie
durch ein Wunder aus derselben befreit wurde. Durch Aufheben
eines schweren Fasses zog ich mir eine Verletzung der Brust zu
und war nicht mehr imstande meine Arbeit zu verrichten. In meiner
Verzweiflung wanderte ich zu Fuß nach Hamburg, wo es mir auch
gelang eine Anstellung in einem Materialwarenlager mit 180 Mark
jährlichem Gehalt zu erhalten. Da ich aber wegen meines Blut-
speiens und der heftigen Brustschmerzen keine schwere Arbeit tun
konnte, fanden mich meine Prinzipale bald nutzlos und so verlor
ich jede Stellung bald wieder. Von der Not gezwungen mir durch
irgendwelche, wenn auch die niedrigste Arbeit mein tägliches Brot
zu verdienen, versuchte ich es eine Stelle an Bord eines Schiffes
zu bekommen und es glückte mir endlich, als Schiffsjunge auf einer
Brigg Anstellung zu finden, welche nach Venezuela bestimmt war.
Ich war schon immer arm gewese::, aber doch noch nie so gänz¬
lich mittellos wie gerade zu jener Zeit: mußte ich doch meinen
einzigen Rock verkaufen um mir eine wollene Decke anschaffen