Full text: Lesebuch für kaufmännische Schulen

138. Die Zeit der Kipper und Wipper. 
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Es ist möglich, daß sich eine Münze im Verkehr nicht bewährt, daß der 
Verkehr nach einer andern Stückelung verlangt; oder es hat eine 
Münze zu sehr im Verkehr gelitten, ist zu stark abgegriffen und ab¬ 
geschliffen, dann bestimmt der Staat einen Zeitpunkt, bis zu 
welchem die alten Münzen eingeliefert sein müssen. Erfolgt die Ein¬ 
ziehung einer Münze wegen der zutage tretenden Abnutzung, und 
ist im Geldverkehr die Münze erwünscht und notwendig, so werden 
neue Münzen geprägt vom selben Werte, zur Unterscheidung 
gegen die einzuziehenden aber meist mit einem andern Münz¬ 
bild. 
Als Beispiel einer gänzlichen Außerkurssetzung sei erinnert 
an die Zwanzigpfennigstücke aus Nickel, welche seit dem 1. Januar 
1903 nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel gelten. 
Aus der Staatsbürgerbibliothek. 
138. Die Zeit der Kipper und Wipper. 
Von allen Schrecken des beginnenden Dreißigjährigen Krieges 
erschien dem Volke selbst keiner so unheimlich als eine plötzliche Ent¬ 
wertung des Geldes. Des guten, schweren Reichsgeldes wurde immer 
weniger, an seiner Statt war viel neue Münze von schlechtem Gepräge 
und rötlichem Aussehen im Umlauf. Noch mehr fiel auf, daß die 
fremden Waren im Preise stiegen. Man empfand eine beständige 
Teuerung. Wer fremde Kaufleute bezahlen mußte, der zahlte für die 
feinen Joachimstaler ein immer wachsendes Agio. Aber im Lokal¬ 
verkehr zwischen Stadt und Land wurde das zahlreiche neue Geld 
ohne Anstand genommen, ja es wurde mit erhöhtem Schwünge um¬ 
gesetzt, und die Masse des Volkes merkte nicht, daß die verschieden¬ 
artigen Münzen, mit denen es zu bezahlen pflegte, ihm unter der 
Hand wertloses Blech geworden waren. 
Schon die approbierten Münzen betrogen. Sie machten das 
Geld am Silbergehalt schlechter als es sein sollte; sie schlugen je 
hundert Mark am Gewicht um etwa vier Lot zu leicht, was von 
niemandem gemerkt wurde, und wenn sie wußten, daß das Geld 
sogleich in entfernte Gegend verführt werden sollte, so brachen sie 
noch dreister ab. 
Außer den approbierten Münzern gab es in den meisten der 
zehn Kreise noch andere von leichterem Gewissen und kühnerer 
Tätigkeit, nicht gerade Falschmünzer in unserem Sinne, obgleich auch 
dergleichen Privatindustrie mit großer Rücksichtslosigkeit betrieben 
wurde. Es waren Münzen im Dienste eines Kreisstandes, welcher 
das Recht zu prägen hatte; dieser Standesherren und Städte waren 
aber zur Zeit sehr viele und allen lag ihr Münzrecht an: Herzen,
	        
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