Full text: Lesebuch für kaufmännische Schulen

6 3. Welche Anforderungen werden an einen tüchtigen Kaufmann gestellt? 
Diese Aneignung setzt aber Lust und Liebe zum Berufe sowie 
Fleiß und eisernen Willen voraus. Daher darf sich der junge Kauf¬ 
mann nicht mit dem begnügen, was die Schule von ihm forderte. 
Es ist nicht genug, ein guter, ja der beste Schüler in der Volksschule, 
in der Realschule, in der kaufmännischen Fachschule gewesen zu 
sein, er muß noch viel mehr dazu lernen, wenn er einstmals eine 
Stellung einnehmen will, die ihn emporhebt, die ihn zu einer wirk¬ 
lichen Stütze des deutschen Handels, zu einem Förderer der Volks¬ 
wohlfahrt macht. 
Neben der reinen Fachbildung wird aber vom Kaufmann 
auch eine möglichst umfassende Allgemeinbildung ver¬ 
langt. In allen Wissenschaften soll er zu Hause sein, nicht daß er 
jede gründlich umfassen könnte, das ist nicht möglich, aber er soll 
ihre Grundlagen kennen, damit er sie würdigen kann. Dadurch 
wird er geistig frei und ist später imstande ein richtiges Urteil zu 
füllen, die Welt mit den Augen eines verständnisvollen Mannes an¬ 
sehen, zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden, das Falsche 
zu meiden, das Richtige zu treffen. Dadurch wird der Umgang 
mit Menschen vorbereitet. Kommt doch der Kaufmann mit allen 
Ständen zusammen, hat er doch mit allen Klassen der Bevölkerung 
geschäftlich zu tun. Vor allem wird im gesellschaftlichen Leben der 
Kaufmann meistens nach seiner Allgemeinbildung und nach seinen 
Umgangsformen geschätzt im Gegensatz zu den Angehörigen vieler 
andrer Berufe, wie Offiziere, Ärzte, Richter, Künstler, Jngenieureusw., 
die allein schon wegen ihres Standes allgemeine Achtung genießen. 
Aber all dies Wissen und Können allein macht den Kaufmann 
nicht aus. Wenn über die Kreditfähigkeit eines Kaufmanns Er¬ 
kundigungen eingezogen werden, so ist es zwar schon wertvoll, 
wenn wir erfahren, daß der Betreffende über Kenntnisse und Fähig¬ 
keiten verfügt, wertvoller sind uns aber Angaben über seinen Cha¬ 
rakter und seinen Ruf. Der gute Ruf ist dabei ausschlaggebend. 
Die Grundpfeiler des guten Rufes sind zunächst Fleiß, 
Ordnungsliebe und Pünktlichkeit. 
Der Fleiß besteht nicht nur darin, daß der junge Kaufmann 
die Arbeiten, die ihm übertragen werden, zur Zufriedenheit aus¬ 
führt, er soll auch selbst aufpassen, was zu tun ist, er soll nicht erst 
zu einer Arbeit gerufen werden, sondern soll, soweit er kann, selbst 
unaufgefordert zugreifen und dabei lernen den Vorteil der Minute, 
den der schnellen Auffassung, der schnellen Arbeit erkennen. Im 
raschen Erfassen neuer Aufgaben, im steten Umschauen, wo es 
etwas zu tun gibt, im schnellen Zufassen, in der Erledigung seiner 
Arbeit mit klaren, frischen Augen, im freudigen Zugreifen, darin 
liegt das Geheimnis des Erfolgs der Lehrjahre. Fleiß, Aufmerk-
	        
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