Full text: Lesebuch für kaufmännische Schulen

196 98. Pfadfinder beim Feldmarschall Grafen Haeseler. 
Feinde trafen, stand die Nordabteilung im Süd und die Südabteilung 
im Nord. 
Dann setzte der Feldmarschall noch eine hübsche Übung an, die 
wir allen Feldmeistern und Kornetts empfehlen möchten. Er ließ 
15 Jungens in Abständen von je 50 Schritt aufstellen und durch 
diese lange Kette eine mündliche Meldung weitergeben. Es ist 
erstaunlich, wie rasch eine mündlich weitergegebene Meldung ihren 
Charakter verändert. „Ein Luftballon mit 5 Insassen ist gesehen 
worden," lautet der Text, und was schließlich ankommt, lautet etwa: 
„Eine feindliche Armee von 100 000 Mann fliegt mit Zweideckern 
von Norden heran." Die Meldung geht eben nicht nur über die 
sichtbare Strecke sondern außerdem noch vom Ohr zum Munde 
jedes einzelnen und beim Durchschlüpfen durch die unendlich vielen 
Gehirnwindungen bleibt sehr leicht etwas hängen oder die Göttin 
Phantasie fügt etwas hinzu. Man versuche die Sache, sie ist köstlich 
und lehrreich und gewöhnt die Jungens Gehörtes ohne Über¬ 
treibung weiterzugeben. Im vorliegenden Falle führte die Übung 
zu einer niedlichen Leistung im Verschlucken von Silben. Die Mel¬ 
dung lautete nämlich: 
„Eine Eskadron, ein Bataillon, 2 Geschütze sind im Anmarsch 
von usw. . . ." 
Atemlos kam der Zwölfte in der Reihe zum Dreizehnten ge¬ 
stürzt und stammelte seine Meldung: „Ein Eßbataillon, 2 Ge¬ 
schütze." 
Daneben stand gerade der Feldmarschall: „Nanu mein Junge," 
fragte er, „was ist denn das, ein Eßbataillon?" 
„Ein Eßbataillon?" — Der Pfadfinder war offenbar erstaunt, 
daß der Feldmarschall so tat, als ob er das nicht wüßte, — „ein 
Eßbataillon, das ist doch ein Bataillon, das abkocht!" — 
Von da ab herrschte eine sehr vergnügte Stimmung. — 
Und nun die Kritik. Der Feldmarschall hob hervor, daß ihm 
die ganze Art der Ausbildung sehr gefallen habe. Wenn Fehler vor¬ 
gekommen seien, so wären sie das beste Mittel um dadurch zu lernen. 
Vor allem sei der frische Ton zu loben, die Lust und Liebe, die alle 
gezeigt hätten, und die gute Disziplin, obwohl kein militärischer 
Drill getrieben werde. Dann folgte eine sehr eingehende Besprechung 
der Übung, und als Seine Exzellenz schließlich betonte, der Mensch 
müsse auch sich daran gewöhnen gelegentlich einmal hungern zu 
können, — da lächelte so mancher, der sich gerade allzusehr mit 
seinem knurrenden Magen — es war 1 Uhr und längst Mittagszeit! 
— beschäftigt hatte. 
Doch dann kam der Befehl zum Abkochen. Die Holzstapel 
am Rande des großen Lagerplatzes hatten nichts zu lachen. Hundert
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.