Full text: Deutsches Lesebuch für kaufmännische Fortbildungsschulen und verwandte Anstalten

Leitgedanken bei Abfassung des Lesebuches. 
Nun sind aber die beruflichen Aufgaben und Interessen des Kausinannes 
trotz vieler verwandten Beziehungen doch sehr verschieden von denen des 
Handwerkers; auch tritt ein großer Prozentsatz der dem Kauftnannstand 
sich widmenden Jünglinge mit anderen Vorkenntnissen in die Lehre und 
in die Schule als die Handwerkslehrlinge. Darum muß auch — die 
Richtigkeit der beiden Behauptungen vorausgesetzt — in den Kaufmänni¬ 
schen Schulen der Unterricht sich an ein anderes Lesebuch anschließen als 
in den Gewerblichen Fortbildungsschulen. 
Über die Forderung, daß das Lesebuch dem Bildungsstandpunkt 
der Schüler angemessen sein soll, dürfte in pädagogischen Kreisen kaum 
ein Zweifel bestehen. Dagegen wird die Ansicht, daß das Lesebuch auf 
beruflicher Grundlage beruhen soll, von einer Seite angefochten, aber 
von anderer Seite ebenso ernstlich verteidigt *). Eine autoritative Stütze 
sindet die von uns vertretene Ansicht in den Vorschriften des preußi¬ 
schen Ministers für Handel und Gewerbe vom 5. Juli 1897, die aller¬ 
dings zunächst nur für die Gewerblichen Fortbildungsschulen gelten, 
folgerichtig aber die Anwendung auf Kaufmännische Schulen in sich 
schließen. Diese Bestimmungen sagen über das Lesebuch unter anderem: 
„Dem Unterricht ist ein gutes Lesebuch zu Grunde zu legen, dessen In¬ 
halt dasJnteresse derSchüler für ihren Beruf zu fördern, 
ihren sittlichen Willen zu stärken und die Vaterlandsliebe zu beleben 
geeignet ist." 
Es wird also der Schule und dem Lesebuche die Wahrung und 
Förderung der beruflichen Aufgabe zur Pflicht gemacht. Damit soll indes 
durchaus nicht dem bloßen Nützlichkeitsstandpunkt das Wort geredet 
werden; im Gegenteil ist es die erste Aufgabe auch der Fortbildungs¬ 
schule und des Lesebuches, das sittliche und geistige Leben des 
Schülers zu fördern, ihm eine ideale, nach dem Schönen 
und Edlen strebende Richtung zu geben und ihn zur Bil¬ 
dung eines festen, auf religiös-sittlicher Grundlage ruhen¬ 
den Charakters zu führen. Da aber jeder Stand, trotzdem die 
sittlichen Grundlagen überall gleich sind, seine besonderen Freuden und 
Leiden, seine eigenartigen Lockungen und Schwierigkeiten hat, so muß 
auch die Pflege der sittlichen Ideen in dem Berufe wurzeln, „von der 
Mitte desselben heraus das Ganze durchleuchten und erwärmen. Der 
Lehrling soll befähigt werden die sittlichen Ideen kennen zu lernen, von 
9 Wir finden uns mit unsrer Ansicht in erfreulichem Einklang mit den von 
Rektor W. Schanze in Nr. 3 und 4 des 7. Jahrgangs der „Deutschen Fortbildungs¬ 
schule" für die Gewerblichen Fortbildungsschulen ausgesprochenen Grundsätzen sowie 
mit den Wünschen verschiedener Handelskammern.
	        
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