Full text: Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält (Bd. 1)

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II. Liberins, Caligula, Claudius, Nero (14 -68 n. Chr.). 
Wenn Augustus durch die ruhige Ordnung, welche er schaffte, durch 
gesicherte Wohlhabenheit, welche unter jener Ordnung wieder möglich ward, 
durch die vielen Werke hoher Kunst und Pracht, mit welchen er Rom zierte, 
und dadurch, daß unter ihm die römische Literatur zu ihrer größten Blüthe 
kam, es den Römern zweifelhaft machen konnte, ob die neue Herrschaft besser 
sei oder die alte Freiheit; so artete dagegen unter den Nachfolgern aus sei¬ 
nem Hause das Kaiserthum zum greuelhaften Despotismus aus. Der heim¬ 
tückische Liberi us vertilgte auch den letzten Schimmer republikanischer Frei¬ 
heit, hob die Volksversammlungen ganz auf und übertrug das dem Volke 
entrissene Recht, die Magistratspersonen zu wählen, dem Senate, der mit 
feiger Unterwürfigkeit seine grausamen Befehle vollzog. Er gab das s. g. 
Majestätsgesetz, wodurch es möglich wurde, auch die unbedeutendsten 
Aeußerungen in Wort oder Schrift zu den schwersten Verbrechen zu stem¬ 
peln und als solche zu bestrafen. Nachdem er den von Volk und Heer hoch- 
gefeierten Germanicus, seines Bruders Drusus Sohn, durch Gift aus 
dem Wege geräumt, ließ er seiner Tyrannei freien Lauf. Seine Gemahlin 
Julia ließ er verhungern, selbst seine Mutter Livia behandelte er mit dem 
schnödesten Undank. Die letzten zehn Jahre seines Lebens brachte er auf 
der Insel Capreä bei Neapel zu, allen Lüsten sröhnend und aus der Ver¬ 
borgenheit die Vollstrecker seiner Schandthaten, wie den Obersten seiner 
Leibwache Sejanus, leitend und überwachend. Er starb erdrosselt 37 n. Chr., 
im achtundsiebenzigsten Jahre seines Lebens. 
Die Freude über den Tod des alten Tyrannen war groß und schien 
um so gerechter zu sein, als des geliebten Germanicus Sohn, Casus Ca- 
ligula, den Thron bestieg. Aber nur acht Monate freute man sich über 
seine löbliche Regierung; denn aus dem Fürsten wurde bald ein wahnsinniges 
Ungeheuer, das in verruchter Selbstvergötterung Anbetung und Opfer ver¬ 
langte, unsinnig verschwendete, indem er den Tribut von drei Provinzen in 
einer Nacht verpraßte und vor seinen Mahlzeiten Bäder nahm, die 4000 
Thaler kosteten, allen erdenklichen Lüsten fröhnte, mit greuelvoller Wildheit 
sich an den Martern der Hingerichteten weidete und den teuflischen Wunsch 
aussprach, das ganze römische Volk möchte nur Einen Kopf haben, um es 
auf einmal vernichten zu können. Jedoch dauerte die Regierung dieses 
Wütherichs nur vier Jahre, da ihn zwei Tribunen der Leibwache ums Leben 
brachten (41 n. Chr.). 
Der Senat wollte in der ersten Freude über den Tod des Caligula 
die Republik wiederherstellen, mußte aber sofort erkennen, daß nicht mehr er, 
sondern die kaiserliche Leibwache die Kaiser machte. Denn die Prätorianer 
wählten den noch einzigen übrigen Erben des Cäsarischen Hauses, den fünf¬ 
zigjährigen Oheim des Caligula, Claudius, zum Imperator, der auch 
jedem Soldaten der Leibwache ein Geschenk von 20,000 Sesterzien machte. 
Zu trag und stumpfsinnig, um selbst zu regieren, überließ er die Zügel der 
Herrschaft seinen Günstlingen und seiner schändlichen Gemahlin Messalina, 
deren Name sprüchwörtlich geworden ist, wenn man die höchste weibliche 
Frechheit, Schamlosigkeit und Entartung bezeichnen will. Endlich wurde sie 
gestürzt, und der schwache Kaiser verheirathete sich zum vierten Mal mit
	        
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