Full text: Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält (Bd. 1)

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Haus, das somit über alle slavisch-germanischen Länder von der Donau bis 
an die Küste der Ostsee herrschte. Böhmen gelangte unter ihm zu hoher 
Macht und Blüthe. Schon 1348 gab er diesem Königreiche eine Grund- 
verfassung und gewährte dem Adel wie den Städten die schönsten Freiheiten. 
Deutsche Ansiedler wurden ins Land gezogen, Dörfer und Städte gegründet 
(Karlsbad), Ackerbau, Bergbau und Gewerbflciß befördert, Straßen und 
Brücken gebaut, Haiden und Wälder urbar gemacht. Künstler und Hand¬ 
werker, Baumeister und Werkleute zogen aus Italien, Deutschland und 
Frankreich nach Böhmen und brachten den slavischen Tschechen Sinn für 
Cultur und bürgerliche Einrichtungen bei. Seine Residenzstadt Prag 
schmückte er mit den herrlichsten Bauwerken, erbaute die Neustadt, den 
Hradschin und die berühmte Brücke, gründete daselbst ein Erzbisthum und 
1348 unter Mitwirkung des großen Dichters Petrarca die erste deutsche 
Universität, welche bald 5000 bis 6000 Studierende zählte und nach dem 
Muster der Pariser eingerichtet war. Die ganze Masse der Studierenden 
war nämlich nach Nationen oder Landsmannschaften eingetheilt, von denen 
jede ihren besondern Vorstand hatte und alle gemeinschaftlich den Rector der 
gesammtcn Universität wählten. Uebrigens bildete die ganze Universität eine 
Innung von Schülern und Meistern mit eigner Verwaltung und eignem 
Gericht. 
Kurz nach der Rückkehr von einer Reise in Gesellschaft seines Sohnes 
Wenzel nach Paris, wo er von König Karl V. glanzvoll ausgenommen 
worden war, erlebte er die Freude, diesen seinen Sohn als Nachfolger aus 
dem Kaiserthron anerkannt zu sehen. Er hatte für diesen Zweck die Kur¬ 
fürsten je mit 100,000 Gulden und Verpfändung der noch übrigen Reichs¬ 
güter und Zölle gewonnen, trotzdem daß die goldene Bulle jede Bestechung 
streng verbot. Bei seinem Tode (1378) vererbte er Böhmen, Schlesien und 
die Kaiserkrone an Wenzel, den ältesten, Brandenburg an Sigismund, 
den zweiten, und die Lausitz an Johann, den dritten seiner Söhne. 
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§ 73. Die deutsche Hansa. 
Zu dem Erfreulichen aus diesem Zeitraume gehört das Gedeihen und 
die Ausbildung der Freiheit, des gewerbthätigen Lebens und des regen Ver¬ 
kehrs in den Städten, namentlich die Stiftung der großen Verbindungen, 
welche zum Schutze des Handels und der Freiheit unter den Städten im 
Norden und Süden geschlossen wurden, des rheinischen Städtebun¬ 
des und der deutschen Hansa. 
Die Gründung der Hansa wurde schon zur Zeit der Kreuzzüge vorbe¬ 
reitet, nachdem Heinrich der Löwe den unterjochten Wenden ihre alte Schiffs- 
kunde abgelernt und seine Stadt Lübeck zum Mittelpunkte des Ostseehan¬ 
dels gemacht hatte. Auf den Kreuzfahrten lernten dann die Bürger von 
Bremen, Hamburg, Lübeck den schon ausgebildeten Handel der Jtaliäner 
und Griechen kennen, gründeten treu zusammenhaltend im Morgenlande die 
Waffenbrüderschaft des deutschen Ritterordens und verbündeten sich später 
in der Heimath selbst (1241) zum Schutz ihres Handels gegen einheimische 
oder ausländische Feinde. Im Laufe des dreizehnten und vierzehnten Jahr¬ 
hunderts erweiterte sich der Bund dergestalt, daß er zuweilen 70 Städte
	        
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