Full text: Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält (Bd. 1)

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gänzlich entsagen oder den spanischen Boden verlassen sollten, griffen sie 
noch einmal, aber mit gleich unglücklichem Erfolge zu den Waffen; und noch 
1609 verließen 800,000 Mauren das Land ihrer Geburt, ihre blühenden 
Aecker und ihre selbstgebauten Hütten, um in Afrika wieder ein Beduinen¬ 
leben zu führen oder als Freibeuter an den Schiffen ihrer Peiniger Rache 
zu nehmen. Auf Spanien aber lastete schwer der Fluch des Fanatismus: 
die blühenden Fluren des Südens verödeten; wohlhabende Dörfer sanken 
in Trümmer; gewerbfleißige Städte wurden entvölkert und Armuth, Schmutz 
und Trägheit lagerten sich über die einst so reichen und glücklichen Gegen¬ 
den, von deren entschwundener Pracht noch jetzt gewaltige Ruinen Zeugnis; 
geben. 
§79. England am Ausgange des Mittelalters. 
I. Der dreißigjährige Krieg der rothen und weißen Rose. 
Mit König Heinrich IV., der Richard II. unter großen Freveln ent¬ 
thronte, war (1399) das Haus Lancaster auf den englischen Königsthron 
gekommen. Diese Frevel trugen aber im dritten und vierten Gliede blu¬ 
tige Früchte; denn unter seinem Enkel Heinrich VI. erhob Richard, 
Herzog von Uork, Urenkel König Eduard's III., Ansprüche auf den 
englischen Thron (1453). Daraus entstand ein dreißigjähriger greuelvoller 
Bürgerkrieg, der nach den Wappen der Parteihäupter den Namen der ro¬ 
then (Lancaster) und weißen (Jork) Rose führt. Diesen Krieg, 
in welchem achtzig Glieder der königlichen Familie und die Zierden des 
Adels vom Schwert gefressen wurden, führte man mit solcher Wuth und 
Grausamkeit, daß dadurch alle Sittlichkeit untergraben, die Bildung ge¬ 
hemmt und das Land dem tiefsten Elende preisgegeben wurde. Zuletzt 
behauptete die Aorksche Partei das Uebergewicht: Richard's von Port Erst¬ 
geborner, Eduard IV. (1461 —1483), setzte sich mit Hülfe des mächtigen 
Grafen von Marwick die Krone auf und ließ seinen Gegner, Heinrich VI., 
der viermal den Thron mit dem Kerker vertauscht hatte, im Gefängnisse 
ermorden. Aber die blutbefleckte Krone brachte auch dem Hause Jork, das 
nun seine Waffen gegen sich selbst kehrte, wenig Segen. Zuerst schaffte 
Eduard seinen Bruder, den Herzog von Clarence, aus dem Wege, indem 
er ihm aus besonderer Gnade die Wahl seiner Todesart freistellte und ihn 
in einem Faß Malvasier-Wein ertränken ließ. Bald geschah noch Grä߬ 
licheres. Ein vorgeblicher Wahrsager hatte dem Könige verkündigt, seine 
Söhne würden durch einen Mann getödet werden, dessen Name mit dem 
Buchstaben G ansinge. In der That war Eduard, dessen Gewissen erwa¬ 
chen mochte, nicht ohne Besorgnisse für das Leben seiner Leiden noch un¬ 
mündigen Söhne; denn als er gefährlich erkrankte, ließ er, gleich als ob 
er das traurige Schicksal derselben geahnt hätte, die Häupter der Leiden 
Rosen, welche den Metzeleien der bürgerlichen Kriege entgangen waren, zu 
sich kommen und schwören, feine Söhne mit ihrem Leben zu vertheidigen. 
Darauf bestimmte er seinen einzigen noch übrigen Bruder, den Herzog 
Richard von Glocester, zum Reichsverweser und Vormund seiner 
Kinder. Wenige Tage nachher starb Eduard IV. und der ältere seiner
	        
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