Full text: Welcher die Geschichte der neuern Zeit und neuesten Zeit enthält nebst Zeittafeln zur Welt- und Culturgeschichte (Bd. 2)

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zeugung durchdrungen, daß die Hand des Herrn hier mächtig gewaltet habe, 
und beugten sich vor der höhern Macht, die sichtbar ihr Schicksal gewogen. 
In dieser feierlichen Stimmung schlossen noch während ihrer Anwesenheit 
die Monarchen von Rußland, Oesterreich und Preußen (zugleich Repräsen— 
tanten der drei Hauptkirchen) zur Ehre Gottes und zum Segen der Völker 
den heiligen Bund (26. September 1815), indem sie erklaͤrten, fern 
von jener alten verderblichen Polltik, in der Verwaltung ihrer Staaten 
fortan all ihr Thun auf die erhabenen Wahrheiten der christlichen Religion 
gründen, sowie in ihren wechselseitigen politischen Verhältnissen nur die Vor— 
schriften der Gerechtigkeit, der christlichen Liebe und des Friedens sich zur 
Regel machen zu wollen. Sie würden durch die Bande einer wahren und 
unzertrennlichen Brüderschaft vereinigt bleiben, sich als Landsleute betrachten 
und in jedem Falle Hülfe und Beistand leisten; auch ihre Unterthanen und 
Heere, als deren Väter sie sich ansähen, in eben dem Geiste der Brüder— 
lichkeit leiten. Die drei Monarchen sähen sich nur als Bevollmächtigte der 
Vorsehung an, um die Zweige einer und derselben Familie zu beherrschen, 
indem sie erkenneten, daß die christliche Nation, zu der sie und ihre Völker 
gehörten, in der That keinen andern Souperän als denjenigen habe, dem 
allein die Macht gebührt, nämlich Gott und unsern göttlichen Erlöser, Jesus 
Christus, das Wort des Allerhöchsten, das Wort des Lebens. Alle euro— 
päischen Mächte (Frankreich erst 1818) traten dieser heiligen Allianz 
bei, mit Ausnahme Englands, das sich entschuldigte, des Papstes und des 
Sultans, die nicht aufgefordert wurden. Wohl lächelten die Staatsmänner 
über die in der Politik unerhörte Sprache und die frohen Erwartungen der 
Völker von dem heiligen Bund, der in der Wirklichkeit nur das Schicksal 
anderer heiliger Bündnisse der Vorzeit zu haben schien, wurden bald wieder 
herabgestimmt; aber dennoch ist das unwillkührlich anerkannte oder in der 
Rührung einer großen Zeit flüchtig vorübergegangené Ideal eine ewige Wahr— 
heit und Weissagung.
	        
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