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Wie strahlte dann morgens so mancher Blick die Sonn'
zum ersten Mal hell zurück! Wie staunten einander die
Glücklichen an und meinten: das hat ein Engel gethan! —
Der König lehnt im Palast allein und blickt hinaus
in den Mondenschein und schaut hinab auf des Landmauns
Haus und seufzt in das weite Schweigen hinaus:
Ach, wär' ich ein Landmann nur eine Nacht, wie
gern entriet ich der drückenden Macht! Wie lehrt' ich
mich selber die schwere Kunst, nicht irr' zu gehn mit meiner
Gunst!
Wie wollt' ich ins eigene Herz mir sehn, um wieder
eS offen mir selbst zu gestehn! Was tausend Hände mir
nicht vollbracht, das wollt' ich gewinnen in einer Nacht! ~
So schauen sie sinnend beim Sternenlauf, der König
hinunter, der Landmann hinauf; dann schließen beide den
müden Blick und träumen beide von fremdem Glück.
I. G. Seidl.
34. Kartoffeltied.
Pasteten hin, Pasteten her, was kümmern uns Pasteten!
Die Schüssel hier ist auch nicht leer und schmeckt so gut
wie aus dem Meer die Austern und Lampreten.
Und viel Pastet' und Leckerbrot verdirbt nur
Blut und Magen. Die Köche kochen lauter Not, sie kochen
uns viel eher tot; ihr Herren, laßt euch sagen!
Schön rötlich die Kartoffeln sind und weiß wie Ala¬
baster, verdau'n sich lieblich und geschwind und sind für
Mann und Frau und Kind ein wahres Magenpflaster.
Claudius.
35. Johann, der muntre Seifensieder.
Johann, der muntre Seifensieder, erlernte viele schöne
Lieder und sang mit unbesorgtem Sinn vom Morgen bis
zum Abend hin, früh mit den Lerchen um die Wette, spät
schon mit einem Fuß im Bette; und wenn er sang, so
war's mit Luft, aus vollem Hals und freier Brust, und
seines lauten Sanges Kraft durchdrang die halbe Nachbar¬
schaft. Man horcht und fragt: Wer singt schon wieder?
Wer ist's? Der muntre Seifensieder.
Es wohnte diesem in der Nähe ein Sprößling eigen-