83
88. Lied eines deutschen Knaben.
1. Mein Arm wird stark, und
groß mein Mut,
gib, Vater, mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut;
ich bin der Väter wert!
2. Ich finde fürder keine Ruh'
im weichen Knabenstand.
Ich stürb', o Vater, stolz wie du,
den Tod fürs Vaterland!
3. Schon früh in meiner Kind¬
heit war
mein täglich Spiel der Krieg.
Im Bette träumt' ich nur Gefahr
und Wunden nur und Sieg.
4. Mein Feldgeschrei erweckt«
mich
aus mancher Türkenschlacht:
noch jüngst ein Faustschlag,
welchen ich
dem Baffa zugedacht.
5. Da neulich unsrer Krieger
Schar
auf dieser Straße zog,
und wie ein Vogel der Husar
das Haus vorüberflog:
6. da gaffte starr und freute sich
der Knaben froher Schwarm,
ich aber Vater, härmte mich
und prüfte meinen Arm.
7. Mein Arm ist stark, und groß mein Mut,
gib, Vater, mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut;
Ich bin der Väter wert. Stolberg.
89. Die Bürgschaft.
Zu Dionys*), dem Tyrannen, schlich
Moros, den Dolch im Gewände;
Ihn schlugen die Häscher in Bande.
„Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!"
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
„„Die Stadt vom Tyrannen befreien.""
„Das sollst du am Kreuze bereuen."
„Ich bin", spricht jener, „zu sterben bereit,
Und bitte nicht um mein Leben;
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Galten gefreit;
Ich laste den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.
*) Herrscher von Syrakus auf Sizilien, um 35Ü v. Ehr.
6*