99
herbei, sondern daneben noch die dem Lande ursprünglich fremde Baum.
wolle. Es verknüpft also der Handel die fernsten Länder und trägt, je¬
mehr er sich ausbreitet, dazu bei, daß die Menschheit sich als eine große
Völkerfamilie mit gemeinsamen Interessen ansehen lerne.. Was das Christen¬
tum aus religiösen Beweggründen von uns verlangt, die Anerkennung
der Menschheit als eine Gesellschaft, dahin führt auch in unseren Tagen
der sich so wunderbar rasch steigernde Völkerverkehr und Handel, der mit
Benützung der Dampfkraft und der Elektricität Raum und Zeit fast auf¬
hebt und so die Völker und die einzelnen Menschen immer enger mitein¬
ander verflicht. Hält damit die Verbreitung des Christentums gleichen
Schritt, so hoffen wir dereinst die Zeit herbeigeführt zu sehen, wo Friede
auf Erden und Gott in der Höhe die Ehre sein wird. Nach Guthe.
*
21, Die Religionen der Erde.
Alle Menschen, von den verkommensten Geschlechtern der öde¬
sten Zonen bis zu den höchst gebildeten Nationen, stehen unter der
Herrschaft des Gefühls der Abhängigkeit von einer höhern Macht:
alle haben das Bedürfnis, jene höhere Macht zu verehren, und
ihre Weife, diese Verehrung zu bewerkstelligen. Den ersten Men¬
schen hat sich Gott selbst geoffenbart; der Monotheismus d. h. der
Glaube an einen Gott ist die älteste Religion. Als aber das
Menschengeschlecht sich freiwillig von Gott abwandte, da wurde
auch hier „die Sünde der Leute Verderben", und das reine Ge¬
präge jener Urreligion wurde verwischt. Der Monotheismus zer¬
ging in Polytheismus (Vielgötterei). Aber Gott offenbarte sich
anss neue der Welt, zuerst im Judentum, dann herrlicher und in
voller Reinheit im Christentum.
Bei den mongolischen Völkern hat der ursprünglich
in Indien heimische Buddhismus feine lebendigsten Wurzeln ge¬
schlagen und sich am mannigfaltigsten gestaltet. Von einer gött¬
lichen Einheit ursprünglich ausgehend, ist er später in Vielgötterei
verfallen. Doch hat er sich durch die Lehre von der Gleichheit
aller Menschen, von der Möglichkeit für alle, glücklich zu werden
und sich aus den Banden der Sünde zu befreien, und durch ineijt
moralische Vorschriften in hohem Grade kulturfördernd erwiesen.
Die den mongolischen Völkern eigentümlichen Religionssysteme
laufen bei den südlichen Völkern (Chinesen und Japanesen)
ans eine dürre Sittenlehre hinaus. Beide Völker, zumal die
Chinesen, setzen das Glück des Menschen vorzugsweise in den ruhigen
Genuß des irdischen Daseins, daher wird die Gottheit und der
Gedanke an ein zukünftiges Leben möglichst bei Seite gesetzt. Ehr¬
furcht gegen Gesetz, Obrigkeit und Eltern ist die höchste Tugend.
Bei den nordisch mongolischen Völkern dagegen (in
Sibirien) herrscht schamanisches Heidentum. Der allmächtige
Gott existiert für sie zwar. aber in weiter Ferne, sich um das
Menschliche nicht kümmernd. Aber dafür ist die wüste, öde Natur,
die sie umgibt, von ihrer Phantasie mit dem Menschen feindlichen.