Full text: Lehr- und Lesebuch für die gewerblichen Fortbildungsschulen Bayerns

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erklingt von Mitternacht bis Abend in den verschiedensten Riten. So 
halten die Franziskaner jeden Abend unter Gesang und Gebet eine Pro¬ 
zession an alle heiligen Stätten. Sie gehen von der katholischen Seiten¬ 
kirche, welche der heiligen Jungfrau gewidmet ist, aus, verweilen nach 
einander an dem Orte, wo Christus, während das Kreuz zusammengefügt 
wurde, gefangen gehalten ward, bei der Stätte der Kleiderteilung, der 
Kreuzerfindung, in der Kapelle der heiligen Helena, an dem Orte der 
Dornenkrönung, vor Golgatha und der Stätte der Kreuzigung, dem Steine 
der Salbung, dem heiligen Grabe, und kehren dann in die Marienkirche 
zurück. Aus der Grabkirche wandeln wir die Via dolorosa, den von der 
Tradition genau bezeichneten Schmerzensgang, auf dem der Herr von 
Pilatus Hause das Kreuz nach Golgatha trug, und treffen in der Stadt 
noch auf gar viele Erinnerungsstellen christlicher Tradition. Im Süden, 
außerhalb der jetzigen Stadt, wird das Haus gezeigt, in dem Christus 
das heilige Abendmahl eingesetzt haben soll. Wir werfen nun den Blick 
in die schroffen Tiefthäler zur Seite der Stadt. Da zieht sich im Osten 
zwischen dem Kalkplateau und dem Ölberge das Thal Josaphat mit 
dem Bache Kidron, jetzt einer ganz wasserlosen, steinbesäeten Rinne hin. 
Es ist das Thal der Schatten und der Gräber. Unter anderem zeigt 
man das Grab Absaloms als Gegenstand der Verehrung, das der 
Maria, welches zu einer Höhlenkirche umgewandelt ist. Jenseits erhebt 
sich der 819 in hohe Ölberg mit schöner Aussicht auf Jerusalem und den 
Spiegel des toten Meeres. Oben steht eine kleine Moschee; auf ihrem 
Felsenboden zeigt man den Eindruck des Fußes, den der Herr, als er gen 
Himmel fuhr, zurückgelassen haben soll. Die Katholiken dürfen am Himmel- 
fahrtstage in dieser Moschee Messe halten. Am westlichen Abhange der 
dem lateinischen Kloster gehörige, mit einer Mauer umgebene Garten 
Gethsemane mit 8 alten Olivenstämmen und Stationsbilderu an den 
Wänden; an den östlichen Abhängen das Dörflein Bethanien, wo gast¬ 
liche Freundschaft den Herrn aufzunehmen pflegte. Des Lazarus Grab 
wird noch gewiesen, und in der vierten Fastenwoche feierlicher Gottesdienst 
darin gehalten. Eine Meile im Südosten von Jerusalem liegt auf zwei 
durch einen kurzen Sattel getrennten Hügeln das fast nur von Christen 
bewohnte Bethlehem d. i. Haus des Brotes mit nur 3000 Einwohnern, 
aber mit Nichten die kleinste unter den Städten Juda. Sie ist die be¬ 
deutungsvollste aller Wiegenstätten der Welt, die Geburtsstadt Christi. 
Unter der prachtvollen, von dem oströmischen Kaiser Justinian aufge- 
führten Kirche, von welcher nur der Chor zum Gottesdienste benutzt wird, 
da das Schiff verfallen, ist die Geburtsgrotte des Herrn, in welcher eine 
Menge silberner Lampen brennen. Auf dem Boden ein Stern mit der 
Umschrift: »Hie cke virgine Maria Jesus natus est« d. h. „Hier wurde 
Jesus von der Jungfrau Maria geboren." Klöster der Lateiner, Griechen 
und Armenier schließen sich der Kirche an. Jetzt ist auch ein evangelisches 
Missionshaus in der Stadt zu finden. Nach Daniel. 
11. Mekka. 
Mekka, „die Mutter der Städte", liegt in einem sandigen Thale, 
das rings von hohen und kahlen Bergen umgeben ist; auch an den Ab¬ 
hängen der Hügel gehen noch Häuser hinauf. Die offene, aber durch drei 
Kastelle geschützte Stadt, welche 45,000 Einwohner zählt, hat breite Straßen 
und ist im ganzen gut gebaut. In der Mitte liegt der einzige freie Platz
	        
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