Full text: Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte (Band 2)

6. Das Eindringen des römischen Rechtes in Deutschland. 127 
6. Aas Kindringen des römischen Wechles in Deutschland. 
Johannes Janssen. Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgange des Mittelalters. 
1. Band. Freiburg 1878. 
Ter verhängnisvolle Einfluß des in dem Gesetzbuche Justinians nieder¬ 
gelegten römisch-byzantinischen Rechtes auf die germanisch-romanischen Völker 
ging in erster Linie von der Bologneser Rechtsschule aus, welche seit dem 
zwölften Jahrhundert die unzähligen, aus fast sämtlichen europäischen 
Ländern herbeiströmenden Jünglinge mit einer abgöttischen Verehrung vor 
diesem Rechte erfüllte. 
Den Bologneser Rechtsgelehrten, den sogenannten Gloffatoren und 
ihren Nachfolgern, erging es mit dem römischen Rechte gerade so, wie später 
den italienischen und jungdeutschen Humanisten mit der klassischen Litteratur. 
Wie die Humanisten, voll einseitiger Bewunderung dieser Litteratur, in den 
Gedankenkreis der Griechen und Römer der Art hineingezogen wurden, daß 
ihnen die klassische Bildung als die allein richtige und wahre Bildung, die 
antike Form des Lebens und Denkens als die rein menschliche und deshalb 
als die allein berechtigte erschien, so lebten sich die Gloffatoren, überwältigt 
von der Schönheit des römischen Rechtes, von seiner scharfen Analyse der 
Begriffe, seiner logisch fortschreitenden Konsequenz, seiner ganzen Methode 
der Entwicklung und strengen Zucht der Form, vollständig in die juristische 
Denkweise der Römer hinein und erklärten nur das für „vernünftig und 
gut", was ihnen vom römischen Standpunkte aus betrachtet als solches 
vorkam. 
Das römische Recht, so lehrten sie, sei das wahre vernunftgemäße und 
darum für alle Zeiten und Völker passende Recht: es enthalte eine folge¬ 
richtige Darstellung der aus der Vernunft abgeleiteten Rechtswahrheiten und 
könne aus diesem Grunde dieselbe Allgemeingültigkeit beanspruchen, die man 
den Gesetzen der Logik und Mathematik zuerkenne; es sei gleichsam die „nieder¬ 
geschriebene Vernunft". Nicht bloß in der Beurteilung von privatrechtlichen 
Dingen, sondern auch in den dem öffentlichen Leben angehörigen Rechtsver¬ 
hältnissen sollte die römische Auffassung maßgebend sein. In der Gering¬ 
schätzung der nationalen Rechte ging man nicht selten so weit, daß man es 
kaum der Mühe wert erachtete, auch nur den Inhalt dieser Rechte und deren 
Zusammenhang mit den bestehenden Zuständen zu prüfen. 
Nun stand aber das römische Recht in den wichtigsten Beziehungen in 
einem vollen Gegensatze zu der christlich-germanischen Rechtsanschauung. 
Während letztere alles Recht als ein Erzeugnis des göttlichen Willens be¬ 
trachtet und das ganze Rechtsleben auf die Abhängigkeit des Menschen von 
Gott begründet wissen will, läßt die römisch-heidnische Auffassung das Recht 
aus dem Willen des Volkes hervorgehen. 
Das Recht ist dieser Auffassung gemäß nicht eine höhere, den Menschen 
gegebene und schon durch das Sittengesetz vorgezeichnete Regel, sondern eine 
vom Sittengesetz völlig unabhängige Vorschrift, welche die Menschen sich selbst 
um ihres persönlichen Nutzens willen aufgestellt haben. 
Vor der Gründung des Staates standen die einzelnen im Zustande 
natürlicher Freiheit und völliger Souveränität rechtlich einander sich fremd 
und pflichtlos gegenüber; es galt zwischen ihnen nur das Recht der Stärke.
	        
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