Full text: Lehr- und Lesebuch für die gewerblichen Fortbildungsschulen Bayerns

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2. Wie soll sich der Geselle gegen seinen Nevengesellen verhalten? 
Mit seinen Nebengesellen muß der Geselle in sreundschaft- 
lichen Beziehungen zu leben suchen, dann wird das Geschäftspersonal 
wie eine Familie erscheinen, in der freudig jedes Glied dem andern 
Hilfe leistet. Sollte es indessen nicht möglich sein, ohne Verleug¬ 
nung des eigenen Charakters den Eigenheiten und Anmaßungen 
des einen oder andern Genossen sich zu fügen, so umgehe man es, 
dieselben anzureizen, damit wenigstens immer Eintracht herrsche, 
ohne die ein gemeinsames Arbeiten nach einem Ziele gar nicht statt¬ 
finden kann. Ist der Geselle im Geschäfte noch neu, so nehme er 
gerne die belehrende Auskunft an, die ihm von den übrigen Ge¬ 
sellen geboten wird, welche dem Meister schon länger dienen. Gegen 
ältere Gesellen, die viele Jahre hindurch schon dem Meister ihre 
Kräfte widmen und in dessen Dienste so zu sagen ergraut sind, be¬ 
obachte er immer ein ehrerbietiges, höfliches Benehmen und sehe 
ihnen gern die kleinen Schwächen nach, welche sie absichtslos ange¬ 
nommen haben mögen. Den jüngern Gesellen und den neuen An¬ 
kömmlingen gegenüber, die ihm vielleicht untergeordnet sind, sei er 
immer freundlich und nachsichtig, und stehe ihnen mit Rat und 
Belehrung bei, wo sie derselben bedürfen und sie suchen. 
3. Wie soll sich der Geselle gegen die Lehrlinge benehmen? 
Die Lehrlinge soll der Geselle stets mit freundlichem Wohl¬ 
wollen behandeln, zugleich aber darüber wachen, daß sie immer ihre 
Pflicht erfüllen, da der Meister nicht immer eine spezielle Aufsicht 
über dieselben führen kann, welche dann dem Gesellen übertragen 
wird. Er komme gerne ihren noch mangelhaften Kenntnissen zu 
Hand, unterweise sie, so viel seine Zeit es erlaubt, in den Arbeiten 
des gewerblichen Berufs und gehe ihnen gern mit gutem Rat zur 
Hand, wo das eigene Urteil sie noch nicht richtig zu leiten vermag. 
Ihre Fehler Arge er mit Milde, aber ernst, damit sie seine Güte 
nicht mißbrauchen; lassen sie sich Unziemlichkeiten zu Schulden 
kommen, so schärfe er seine Verweise, und erst wenn diese nicht 
fruchten wollen, lasse er den Meister einschreiten. Nie erlaube er 
sich eigenmächtig eine Züchtigung des Lehrlings, die ihm durchaus 
nicht zusteht und ihn in der Achtung seiner Umgebung nur herab¬ 
setzen würde. Nie auch lasse er sie seine üble Laune und Mi߬ 
stimmung entgelten, nie vom Zorn sich zu knechtischer Behandlung 
hinreißen. Er sehe in ihnen die künftigen Kollegen, die heran¬ 
reifenden Gesellen und erschwere ihnen nie durch Härte ihre ohne¬ 
hin meist so einförmige Thätigkeit. Ist es dem Gesellen selbst in 
seinem frühern Lehrlingsverhältnis übel ergangen, so sollte er da¬ 
raus gerade die stärkste Veranlassung nehmen, die ihm untergebenen 
Anfänger menschlicher zu behandeln, da er ja weiß, wie bitter dem 
Jüngling eine harte Begegnung in der Lehrzeit wird, und nicht 
zu sich selbst sagen: „Der Lehrling muß suhlen, daß er noch nichts
	        
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