Full text: Lehr- und Lesebuch für die gewerblichen Fortbildungsschulen Bayerns

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Bald aber wird die Bevölkerung dichter, und es wird ihr unmöglich, 
stets Neubruchland zu erhalten. Daun muß sie durch künstliche mecha¬ 
nische Bearbeitung des Bodens, Pflügen und Düngen, seine Fruchtbarkeit 
zu erhalten suchen und bedarf dazu der Kraft der Haustiere, denen nun 
eine sorgfältige Pflege gewidmet wird. Au anderen Stellen wird es not¬ 
wendig, den Boden künstlich zu bewässern, oder die natürliche Bewässerung 
desselben (Nil, Ganges) zu regeln, oder das reiche Marschland vor Über¬ 
schwemmungen zn schützen (China, Holland). Dazu kommt noch, daß die 
meisten Kulturpflanzen an und für sich einer größeren Pflege bedürfen, als 
z. B. jene oben genannten, fast wie wild wachsenden Tropenpflanzen. Ein so 
bearbeitetes Feld erhält durch die Bearbeitung einen hohen Wert, somit 
nimmt das Schweifen und Wandern em Ende, es entstehen feste Ansied¬ 
lungen, die allmählich ein immer dichter werdendes Netz bilden. »Ein 
Geist der Ruhe zwar, aber nicht der Trägheit, bemächtigt sich des Volkes. 
Indem der regelmäßig betriebene Ackerbau den Menschen zu stets erneuerter 
Arbeit antreibt und zum aufmerksamen Beobachter der Natur und ihrer 
Kräfte und Gaben macht, gewöhnt er zugleich an eine geregelte Anord¬ 
nung des Lebens, an Achtung vor dem Eigentum, an gemeinschaftliches 
Handeln, überhaupt an die Grundlagen einer gesetzlichen Verfassung. Dies 
durch die Natur gebotene gemeinschaftliche Handeln bindet dann bald die 
Familien und Stämme zu einem Volke und gibt diesem seinen eigentüm¬ 
lichen Charakter und seine Staatsverfassung. 
Geht die höchste Gewalt von einem Oberhaupte aus, so ist der 
Staat monarchisch. Eine Monarchie erscheint als Despotie, wenn 
die Unterthanen dem Staatsoberhaupte gegenüber rechtlos sind; als Au¬ 
tokratie, wenn die gesetzgebende Macht allein beim Fürsten steht (Ru߬ 
land); als konstitutionelle Monarchie, wenn der Fürst das Recht 
der Gesetzgebung und die Überwachung der Staatsverwaltung mit erblichen 
oder gewählten Vertretern des Volkes teilt (das deutsche Reich, Preußen, 
Bayern). Wird die höchste Gewalt vom Volke durch gewählte Vertreter 
ausgeübt, so erscheint der Staat als Republik (Schweiz, Frankreich, 
Nordamerika). 
Bedarf schon der Jäger und der Hirt einiger Industrie für den 
Bau seiner Wohnungen und die Beschaffung seiner Werkzeuge, so steht 
diese doch noch auf niedriger Stufe, und jede Familie ist im stände, alle 
Bedürfnisse dieser Art selbst zu befriedigen. Ungleich mehr bedarf der acker¬ 
bauende Mensch, und die feste Wohnung lädt von selbst zur Beschaffung 
eines reicheren, beweglichen Besitzes ein. Anfangs verschafft sich der 
Mensch alle diese Dinge noch selbst, wie z. B. der norwegische Bauer noch 
heute sein Eisengerät sich aus Eisen herstellt, welches er selbst aus den 
Erzen schmilzt, seine Kleidung selbst webt und näht, sein Haus selbst 
zimmert. Bald aber, namentlich da, wo die Bevölkerung dichter wird, 
tritt eine Teilung der Arbeit ein, die Industrie trennt sich vom Ackerbau. 
Zuerst geschieht das in kleinerem Maßstabe, bald aber sammeln sich die 
einzelnen Industrien an besonders dazu geeigneten Lokalitäten: es ent¬ 
stehen Jndustriebezirke und Industrieländer. Damit sind zugleich die 
Anfänge des Handels gegeben, der zuerst nur dazu bestimmt ist, die 
Industrieländer im Austausch ihrer Erzeugnisse gegen die Produkte des 
Ackerbaues mit Nahrung zu versorgen, bald aber größere Dimensionen 
annimmt, indem er den Jndustriebezirken Rohstoffe aus fremden Ländern 
zuführt. So verwebte z B. England ursprünglich nur einheimische Wolle, 
jetzt aber holt der 'Handel nicht bloß aus allen Erdteilen diesen Webestoff
	        
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