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Aus der Fremde.
Wie sehr aber auch unser Auge beschäftigt wird, doch überfällt uns in diesem
Weltengewühle ein Heimweh, ähnlich jenem im Menschengewühl fremder volkreicher
Städte. Es dünkt uns alles hier einander so gleichgültig, so kalt, so fremd; keines
kümmert sich um das andere, kein gemeinsames Interesse, kein Band der Freund¬
schaft, kein Gesetz verknüpft sie. O wie ganz anders war es doch in unserer
Heimatwelt! Wie innig verschlungen umtanzten da geschwisterliche Welten den
gemeinsamen Schwerpunkt! Wie suchte da jede die andere zu leiten und zu locken,
jede der andern zu leuchten und zu wärmen! Hier ist alles kalte Selbstsucht!
Jener schöne Stern dort, es ist ein alter Bekannter, flüstert ein vorüber¬
schießender Lichtstrahl uns zu. Du sahst ihn täglich im Himmelswagen, den Mizar
im großen Bären. Da warst du oft stolz auf die Schärfe deines Auges, wenn
es dir über ihm noch ein kleines Sternchen, den Alcor, das Reiterlein, wie du cs
nanntest, entdeckte: den siehst du hier freilich nicht mehr; denn selbst ich müßte
viele viele Jahre reisen, ehe ich zu ihm gelangte. Du täuschtest dich, weil du die
hinter einander stehenden Sterne für neben einander stehend hieltest! — Aber
täusche ich mich nicht jetzt auch, sehe ich doch noch einen neben ihm stehenden Stern,
und der kann doch kaum viel weiter, als der Neptun vori unserer Sonne, von ihm
entfernt sein? — Nein, du täuschtest dich nicht. Es ist einer jener Doppelsterne,
wie sie eure Astronomen nennen, und deren Entdeckung eures Herrschels unsterb¬
lichen Ruhm begründete. Sieh nur, wie sie um einander ihre Kreise schlingen,
wie lustig sie, ein trautes Geschwisterpaar, ihren gemeinsamen Schwerpunkt um¬
tanzen! Freilich dauert es wohl 60 Jahre, ehe dieser Reigen vollendet und der
neue begonnen wird. Und sieh, das sind Sonnen, die um einander sich schwingen,
gleichen Wesens und gleichen Ranges. Fliege nur weiter auf deinen Gedanken¬
schwingen, du wirst noch vielen solcher Sonnenpaare begegnen, dem schönen Kastor,
der strahlenden Wega, dem prächtigen Rigel im Orion, dem Polarstern. Du
wirst selbst ganze Gruppen von Sternen zu so schöner Gemeinschaft verknüpft
sehen, wie jenen Stern im Nebel des Orion, der zwar deinem Auge nur einfach
schien, den aber das Fernrohr dir schon als einen sechsfachen zeigen konnte! Wir
schweigen beschämt. Es ist doch nicht so fremd hier in der Fremde, wo ja noch
Leben und Liebe sich regt, und das ewige Gesetz der Anziehungen, die Herrschaft
des Gedankens, des Gesammtwillens der Einzelnen besteht! Es ist bunter hier,
wo zwei, drei Sonnen den Planetenbewohnern leuchten, bald grün, bald roth, bald
wechselnd in verschiedenen Farben. Und da wir Ordnungen, Bewegungen, nirgends
mehr regellose Sternhaufen, sondern durch ein inneres Band verknüpfte, riesige
Sternsystemc sehen, fühlen wir uns heimischer berührt.
Aber das Ziel, der Gipfel ist erreicht, eine prächtige Sterngruppe nimmt
uns auf. Oft hatten wir zu ihr von der Erde aufgeschaut und uns über den
Schimmer ihrer dicht gedrängten Sterne gefreut. Das bloße Auge schon vermochte
6 bis 7 Sterne in diesem Schimmer zu unterscheiden, und das Fernrohr zeigte
uns wohl gegen 100. Das ist das Siebengestirn, die Gluckhenne mit den Küch¬
lein, die Gruppe der Plejaden, jetzt der Mittelpunkt unserer Welt. Hier nun
weilen wir und ziehen von den Lichtstrahlen Kunde ein über die Welten, die uns umgeben.
Ihr steht in der Mitte eines großen linsenförmigen Weltenhaufens! — so
flüstern sie. Rings umgibt euch ein hell glänzender Gürtel von dicht gedrängten