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Weltgeschichte.
zu halten, bis endlich ein Klopstock, Lessing, Goethe, Schiller die deutsche Sprache
wieder zu Ehren brachten. Französische Lehrer und Tanzmeister wurden nach
Deutschland berufen, um französische Bildung zu lehren; wer Geld hatte, unter¬
nahm Reisen nach Paris, um hier im Mittelpunkte sich verfeinern und nebenbei
sich mit seinem derben deutschen Wesen ausspotten zu lassen von den leichtfüßigen
Franzosen. Alles wandte seine Blicke auf Frankreich. Daheim aber verbrannte
man Hexen, folterte man die Angeklagten, trieb Goldmacherei und Sterndeuterei.
Unter allen deutschen Fürsten war es der große Kurfürst, der es am schmerz¬
lichsten fühlte, welche Schmach es für Deutschland sei, sich von den Franzosen so
herabsetzen zu lassen. Sein Sieg bei Fehrbellin über die gefürchteten Schweden
hob zuerst Preußen in der öffentlichen Meinung. Einer seiner Nachfolger,
Friedrich Wilhelm I., schaffte die Perrücken und die französischen Hofkleider ab. Sein
Wahlspruch war: „Ich will nicht französisch sein."
Nach Vehse.
18. Friedrich Wilhelms I. Soldaten.
Wer kurz vor 1740 unter der Regierung König Friedrich Wilhelm's I.
preußisches Land betrat, dem fiel in der ersten Stunde das eigenthümliche Wesen
auf. Bei der Feldarbeit, in den Straßen der Städte sah er immer wieder schlanke
Leute von soldatischem Aussehen mit einer auffallenden, rothen Halsbinde. Es
waren Kantonisten, die schon als Kinder in die Soldatenregister eingetragen waren,
zur Fahne geschworen hatten und eingezogen werden konnten, wenn der Staat
des Königs ihrer bedurfte. Jedes Regiment hatte 500 bis 800 dieser Ersatzleute.
Mau nahm an, daß dadurch die Armee — 64 000 Mann — in drei Monaten
um 30 000 Mann vermehrt werden konnte; denn alles lag für sie in den Mon¬
tierungskammern bereit, Tuch und Gewehre. Und wer zuerst ein Regiment preußi¬
schen Fußvolkes sah, dem wuchs das Erstaunen. Die Leute hatten eine Größe,
wie sie an Soldaten nirgend in der Welt zu sehen war; sie schienen von einem
fremden Stamme. Wenn das Regiment vier Glieder hoch in Linie stand — die
Stellung in drei Gliedern wurde gerade damals erst eingeführt —, dann waren
die kleinsten Leute des ersten Gliedes nur wenige Zoll unter 6 Fuß, fast eben so
hoch das vierte, die mittleren wenig kleiner. Man nahm an, daß, wenn die ganze
Armee in vier Reihen gestellt würde, die Köpfe vier schnurgerade Linien machen
müßten; auch das Gewehr war etwas länger als anderswo. Und nicht weniger
auffallend war das propre Aussehen der Mannschaft; wie Herren standen sie da,
mit reiner, guter Leibwäsche, den Kopf sauber gepudert, mit einem Zopf, alle im
blauen Rock, zu den hellen Kniehosen Stiefeletten von ungebleichter Leinwand, die
Regimenter durch Farbe der Westen, Aufschläge, Litzen und Schnüre unterschieden.
Trug ein Regiment Bärte, wie z. B. das des alten Dessauers in Halle, so war
der Bart sauber gewichst. Jedem Manne wurde alljährlich vor der Nevüe eine
neue Montur bis auf Hemd und Strümpfe geliefert; auch in das Feld nahm er
zwei Anzüge mit. Noch stattlicher sahen die Offiziere aus, mit gestickter Weste,
um den Leib die Schärpe, am Degen „das Feldzeichen", alles von Gold und Sil¬
ber, und am Halse den vergoldeten Ringkragen, in dessen Mitte auf weißem Felde