Geschichte der neuen und neuesten Zeit.
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31. Am 3. September 1870
Nun laßt die Glocken von Turm zu Turm durch's Land frohlocken im Jubel¬
sturm! des Flammeustoßes Geleucht facht au! Der Herr hat Großes an uns ge¬
than! Ehre fei Gott in der Höhe!
Es zog von Westen der Unhold aus, fein Reich zu festen in Sturm und
Graus. Mit allen Mächten der Höll' im Bund die Welt zu knechten, das schwur
sein Mund. Furchtbar dräute der Erbfeind.
Vom Rhein gefahren kam fromm und stark mit Deutschlands Scharen der
Held der Mark. Die Banner flogen und über ihm in Wolken zogen die Cherubim.
Ehre sei Gott in der Höhe!
Drei Tage brüllte die Völkerschlacht, ihr Blutrauch hüllte die Sonn' in
Nacht; drei Tage rauschte der Würfel Fall, und bangend lauschte der Erdenball.
Furchtbar dräute der Erbfeind.
Da hub die Wage des Weltgerichts am dritten Tage der Herr des Lichts
und warf den Drachen vom güldnen Stuhl mit Donnerkrachen hinab zum Pfuhl.
Ehre sei Gott in der Höhe!
Nun bebt vor Gottes und Deutschlands Schwert die Stadt des Spottes, der
Blutschuld Herd. Ihr Blendwerk lodert wie bald zu Staub! Und heimgefordert
wird all' ihr Raub. Nimmermehr dräut uns der Erbfeind.
Drum laßt die Glocken von Turm zu Turm durchs Land frohlocken im Jubel¬
sturm! des Flammeustoßes Geleucht facht an! Der Herr hat Großes an uns
gethan. Ehre sei Gott in der Höhe! E. Geibel.
33. Der todte Soldat
Auf ferner, fremder Aue
da liegt ein todter Soldat,
ein ungezählter, vergeß'ner,
wie brav er gekämpft auch hat.
Da fitzt eine weinende Mutter
und schluchzet laut: „Gott helf'!
Er hat sich angemeldet:
die Uhr blieb steh'n um elf!"
Es reiten viel' Generale
mit Kreuzen an ihm vorbei,
denkt keiner, daß der da lieget
auch werth eines Kreuzleins fei.
Da starrt ein blasses Mädchen
hinaus ins Dämmerlicht:
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Es ist um manchen Gefall'nen
viel Frag' und Jammer dort;
doch für den armen Soldaten
gibt's weder Thräne noch Wort.
Drei Augenpaare schicken,
so heiß es ein Herz nur kann,
für den armen todten Soldaten
ihre Thränen zum Himmel hinan.
Doch ferne, wo er zu Hause,
da sitzt beinl Abendroth
ein Vater voll banger Ahnung
und sagt: „Gewiß, er ist todt!"
Und der Himmel nimmt die Thränen
in einem Wölkchen auf,
und trägt es zur fernen Aue
hinüber im raschen Lauf,
Und gießt aus der Wolke die Thränen
aufs Haupt des Todten als Thau,
daß er unbeweint nicht liege
auf ferner, fremder Au'.
G. Seidl.