Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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des Scheidewassers und fand die Schrift (die von der Säure nicht 
angegriffen, während der übrige Stein ein wenig auf seiner Ober¬ 
fläche aufgelöst wurde) bis auf 1/10 einer Linie ungefähr auf die 
Dicke eines Kartenblattes erhöht. 
Nun machte ich mich ans Einschwärzen . . . und meine ferneren 
Versuche mit der auf Stein geschriebenen Schrift fielen weit besser 
aus, als die vorher in die Tiefe gemachten . . . Die neue Kunst war 
erfunden, sogar ziemlich von mir eingeübt; jedoch um sie auszu¬ 
führen und davon leben zu können, war wieder ein kleines Kapital 
zur Anschaffung einer Presse, mehrerer Steinplatten, etwas Papier, 
verschiedene Werkzeuge und dergl., notwendig. Wollte ich also meine 
Hoffnung nicht abermals aufgeben, so blieb mir kein anderes Mittel, 
als zu suchen, auf irgend eine Art das nötige Geld zu schaffen. 
In München glückte es Senefelder, mit einem Hofmusikus, 
namens Eleißner, in Verbindung zu treten, der ihm einiges Geld 
zur Errichtung einer Steindruckerei vorschoß. Der Musikus kompo¬ 
nierte Lieder mit Klavierbegleitung, und Senefelder druckte sie in 
seiner Steindruckerei. 
Allein bald stellten sich neue Schwierigkeiten ein. Die Stein¬ 
druckpresse, die er hatte bauen lassen, funktionierte nicht in der 
gewünschten Weise. Auch machte ihm das Schreiben der Schrift 
auf dem Stein im verkehrten Sinne mancherlei Mühe und Schwierig¬ 
keiten. „Da ich selbst," so erzählt Senefelder weiter, „die deutsche 
Kursiv-Schrift nicht schön genug auf den Stein schreiben konnte, 
so beschloß ich, erst von einem geschickten Schreiber das Werk mit 
meiner Überdrucktinte (die Senefelder erfunden hatte) auf Papier 
schreiben zu lassen, es sodann zu übertragen und genau nachzu¬ 
schreiben. Aber könnte ich nicht eine Tinte erfinden, die sich aus 
Stein übertragen ließe, ohne daß man es nachschreiben dürfte, in¬ 
dem sie sich ganz vom Papier ablöste und auf dem Stein haften 
bliebe? Vielleicht könnte man dem Papier selbst eine solche Eigen¬ 
schaft geben, daß es unter gewissen Umständen die Tinte fahren 
ließe und vollkommen auf den Stein absetzte. So dachte ich, und 
die Sache schien mir eben nicht unmöglich. Sogleich ging's ans 
Probieren!" 
„Ich nahm einen reingeschliffenen Stein (und zwar Solen- 
hofener Kalkschiefer, der das heftige Bestreben hat, sich mit Fett 
zu verbinden), bezeichnete ihn mit einem Stückchen Seife, goß dünnes 
Gummiwasser darüber und überfuhr ihn mit einem in Ölfarbe 
getauchten Schwamme. Alle mit dem Fette (der Seife) bezeichneten 
Stellen wurden sogleich schwarz, das übrige blieb weiß. Ich konnte 
den Stein abdrucken, so oft ich wollte, allemal nach dem Abdrucke 
wieder benetzt und wieder mit dem Schwamm überfahren, gab er 
gleiche Resultate." Damit aber hatte Senefelder die große Erfindung 
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