Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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95. 2m Kohlenschacht. 
Dort ragen sie vor uns empor, die Zechengebäude. Hier der 
schwärzliche Schachtturm, der die grausige Tiefe überdeckt und die 
Vorrichtungen birgt, um die gewonnenen Schätze dem Tageslichte 
zuzuführen; zur Seite das Maschinengebäude, dahinter Schuppen 
und Lagerplätze für die gewaltigen Holzvorräte, die durch lange 
Hallen überdachten Eisenbahngleise, lange Züge leerer und gefüllter 
Waggons, Kontorgebäude — vielleicht auch eine Kolonie nüchterner 
Backsteinhäuser, so stellt sich gewöhnlich ein Steinkohlenbergwerk 
dar. Hinzu kommt nicht selten noch die rasselnde Kohlenseparation 
(Kohlentrennwerk), in der die Kohle nach Größe der Stücke sortiert 
wird, eine Kohlenwäsche, deren Bassins mit Schlammkohlen nicht 
selten bis zum Überlaufen angefüllt sind, eine lange Reihe von 
Koksöfen, aus deren Beobachtungslöchern eine rote Glut strahlt, 
schließlich auch wohl noch die riesenhafte Brikettpresse. Neuerdings 
finden wir dann noch immer häufiger in der Nähe der Koksöfen ein 
kleineres Gebäude, zu dem hin mächtige umwickelte Rohrleitungen 
führen, und aus dessen Wandungen gekrümmte Röhren allenthalben 
hervortreten: hier werden die heißen Gase der Koksöfen ihres Ge¬ 
haltes an Ammoniak und Teer beraubt, und es ist ersichtlich, daß 
die Gewinnung dieser Produkte sehr nutzbringend ist, da heute fort¬ 
während neue Anlagen der Art entstehen. 
Aber treten wir ein und bereiten wir uns vor, in die Tiefe 
hinabzuführen. Nicht ohne Herzklopfen betritt man zum erstenmal 
diese Räume, die mit einem feuchten Dunst von Teer und Schmier¬ 
materialien erfüllt sind; die Dampfpfeifen summen, die gewaltige 
Maschine arbeitet mit schwerem Stampfen, und auf den Schienen¬ 
geleisen im oberen Schachtturm rollen die leeren und gefüllten 
Kohlenwagen hin und her — kurzum, ein betäubender Lärm schlägt 
uns entgegen. Hier steht der Beamte, der uns als Führer zuge¬ 
dacht ist, wartend an einen Pfosten gelehnt und kommt nun lächelnd 
auf uns zu. Ein hoher, breitschultriger Mann, der, seit seiner frühesten 
Jugend mit den Gefahren des Gewerbes vertraut, längst das Fürchten 
verlernt hat; er hat von der Pike auf gedient: zuerst als Steinleser 
ist er auf den Waggons herumgeklettert und hat die Kohle von 
groben, steinigen Beimengungen gereinigt, dann kam er als Schlepper 
in die Grube. In seinen Mußestunden ist er allwöchentlich mehrere 
Male zur nahegelegenen Stadt gepilgert, um auf der Vorschule seine 
Kenntnisse zu erweitern, und endlich ist er mehrere Jahre nach 
Bochum gegangen, wo ihn die trefflich geleitete Bergschule in mehr¬ 
jährigem fleißigen Studium zum Steiger herangebildet hat. Aber 
niemals hat er um seiner Studien willen auch nur eine einzige 
Schicht versäumen dürfen, und nichts kann wohl geeigneter sein, 
die Willenskraft junger Männer zu stählen, als eine solche Zeit rast-
	        
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