Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Die letzte Wandlung vollzog sich zur Zeit des Wiederaufblühens 
der klassischen Altertumswissenschaft im 16. Jahrhundert. Denn 
damals übernahmen die Gelehrten die runden Zeichen, die wir jetzt 
in den Schulen als lateinische Schrift, in den Druckereien als Antiqua 
(d. h. alte) zu bezeichnen pflegen. Diese haben sich rasch über die 
westeuropäischen Länder ausgebreitet, ja neuerdings auch die nörd¬ 
lichen ziemlich ganz erobert, während in Deutschland für den ge¬ 
wöhnlichen Gebrauch die dort aufgegebenen eckigen Buchstaben fest¬ 
gehalten werden. Wohl sind bedeutende Männer wie die Brüder 
Grimm dafür eingetreten, dem Beispiele der übrigen Völker zu folgen, 
wohl lassen neuerdings viele deutsche Gelehrte ihre Bücher in Antiqua 
drucken statt in Fraktur (d. h. gebrochene Schrift), aber in Bibel unb 
Gesangbuch, Zeitung und Roman, Volks- und Schulbuch, kurz in 
allen Schriften, die für die große Masse berechnet sind, werden die 
eckigen Buchstaben ebenso treu bewahrt wie in Briefen und anderen 
Schriftstücken, die aus den Händen der Laien hervorgehen. Rein 
Wunder, daß kerndeutsche Männer wie unser großer Reichskanzler 
Bismarck immer eine gewisse Vorliebe für die sogenannte deutsche 
Schrift gehabt haben. Nach Prof. Dr. Weise: 
Schrift- und Buchwesen in alter und neuer Zeit. 
131. DER BRIEF. 
Die ältesten Briefe, die uns erhalten 
sind oder von denen wir Kenntnis haben, 
rühren vonHerrschern und hervorragenden 
Staatsmännern her. Als noch Urwälder 
den Boden unseres Vaterlandes bedeckten, 
fühlten bereits morgen1ändische Für sten 
das Bedürfnis, wichtige Botschaften 
niederzuschreiben und selbst auf grosse 
Entfernungen hin zu versenden. 
Viel weniger wissen wir von dem frü¬ 
hesten Briefwechsel in Italien und 
Deutschland. Selbst um die Mitte des 1. 
Jahrhunderts konnte Cäsar mit Germanen¬ 
fürsten wie Ariovist nur mündlichen 
Gedankenaustausch unterhalten, und erst 
während der römischen Kaiserzeit waren 
einzelne mehr von der Kultur beleckte 
deutsche Heerführer im stände, mit den
	        
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