Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

467 
zug, der sein Ziel schon innerhalb Jahresfrist erreichen würde. Eine 
Kanonenkugel, die mit einer immer gleich bleibenden Geschwindigkeit 
von siebenhundert Meter in der Sekunde nach dem Monde flöge, 
würde gar schon nach hundertachtundfünfzig Stunden, d. h. nach 
sechs Tagen und vierzehn Stunden dort niederfallen. 
Und nun schaue dir die erleuchtete Mondscheibe einmal genauer 
an. Was erblickst du da? Große dunkle Flecken, die mit helleren 
Stellen abwechseln. So, nun fasse einmal jenen glänzenden Punkt 
nahe dem östlichen Mondrande fest ins Auge. Nach wenigen Minuten 
wirst du, geblendet von dem Glanze, den er ausstrahlt, den Blick 
abwenden müssen. Nun, auf diesen Punkt wollen wir zufliegen; 
dort scheinen uns besondere Herrlichkeiten zu erwarten. Ein ernster 
Wunsch — und wir sind auch schon dort angelangt. Aber wie 
sonderbar ist uns zu Mute! Wie aus schwerem Traum erwacht, 
blicken wir um uns her. Wir stehen auf einsamer Bergeshöhe, auf 
dem Rande eines gewaltigen Kraters. Der mächtige, alpenhohe 
Ringwall, auf den wir unsern Fuß gesetzt haben, ist nach allen 
Seiten hin von tiefen Tälern mit schroff ansteigenden Wänden 
zerrissen und zieht sich bis an den Horizont dahin, eine wellige 
Ebene einschließend, aus deren Mitte ein spitzer Bergkegel von etwa 
dreihundert Meter Höhe emporragt. Den Durchmesser des ganzen 
Walles schätzen wir auf vierzig bis fünfzig Kilometer. Und während 
wir staunend die großartige Gebirgslandschaft, die in blendendem 
Sonnenglanze vor uns liegt, betrachten, müssen wir uns gestehen, 
daß unsere Erde nichts bietet, was ihr an Großartigkeit gleichkommen 
würde. Wild und trotzig, in scharfe Grate und Nadeln auslaufend, 
ragen hier die Massen in die Höhe, dort bilden sie sanftere Abhänge 
gleich erhärteten Lavaströmen. 
Vom östlichen Abhange des Ringgebirges, auf dein wir uns 
befinden, schweift das Auge über eine von zerstreuten Bergrücken 
durchzogene Gegend, bis es am Horizonte eines weiten Gebirges 
von ähnlicher Beschaffenheit ansichtig wird. 
Während wir uns anschicken, die steilen Hänge des Gebirgs- 
walles zu ersteigen, an dessen Fuße wir inzwischen angelangt sind, 
können wir uns überzeugen, wie treu uns die Fernrohre und 
Teleskope der Erde in Verbindung mit der Photographie die Ober¬ 
fläche des Mondes widerspiegeln. Mit wunderbarer Leichtigkeit geht 
der Aufstieg von statten; denn so gering isl die Anziehungskraft 
des Mondes, daß unser Körper etwa nur ein Sechstel seines irdischen 
Gewichtes behält. Nur die Sonne, die jetzt fast scheitelrecht über 
uns steht, sendet glühende Strahlen auf uns herab, deren Brand 
uns zu verzehren droht. Wir treten in den Schatten eines über¬ 
hängenden Felsgrates. Aber welch eine sibirische Kälte umfängt 
uns dort! Unmöglich, es dort mehr als ein paar Augenblicke aus- 
georg-Eckert-lnstttui 30* 
für international© 
Schulbuchforschung 
Braunschweig 
SbhulbuchbibliothoiS
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.