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Der Wechsel und seine Anwendung im Geschäftsverkehr.
35. Der Wechsel und seine Zuwendung
im Geschäftsverkehr.
Der stetig wachsende, immer neue Bahnen suchende Geschäftsverkehr
hat es nötig gemacht, daß an Stelle des schwerer zu bewegenden baren
Geldes Wertschcine treten mußten, deren Weitergabe von Hand zu
Hand eine Erleichterung des Zahlungsverkehrs und dadurch eine weitere
Steigerung des Umsatzes ermöglichte. Wechsel und Scheck sind der¬
artige Wertscheine, die sämtlich diesem löblichen Zwecke dienen, und
gegen deren Verwendung in diesem Rahmen man durchaus nichts ein¬
zuwenden haben kann. Wir wollen uns heute lediglich mit der erst¬
genannten Art, dem Wechsel, beschäftigen, aber nicht mit seiner Be¬
deutung als Zahlungsmittel, sondern mit der ihm auch zukommenden
Eigenschaft als Verlegenheitsmittel.
Es gibt nämlich eine ganze Anzahl von Geschäftsleuten, die ihn
mit Vorliebe benutzen, ohne daran zu denken, daß der Wechselverkehr
in seiner mißbräuchlichen Anwendung eine sehr große Gefahr in sich
schließt, indem er zunächst die Kreditwürdigkeit des Akzeptanten stark
in Zweifel zu ziehen geeignet ist, aber auch sonst noch zur Untergrabung
seiner Existenz beitragen kann. — Der Kredit ist aber einer jener Mit¬
helfer gesunder Geschäftsverkehrsverhältnisse, die man äußerst sorg¬
fältig behandeln und tadellos zu erhalten suchen muß. Nun soll es des¬
halb noch nicht verwehrt sein, des Wechsels sich als Aushülfsmittel zu
bedienen, da nicht jeder zu jeder Zeit in der Lage ist, über die not¬
wendigen Barmittel verfügen zu können; aber dieses Aushülfsmittel
soll seinen Charakter streng bewahren, es soll durch vorhandene, wenn
auch nicht sofortige flüssige Mittel gedeckt sein, so daß kein unliebsamer,
unvorhergesehener Zwischenfall, beispielsweise kein unerwarteter Ein¬
nahmeausfall, den Fälligkeitstag zum Angsttag macht und Zahlungs¬
sorgen als unangenehme Begleiterscheinung auftreten läßt! Wer erst
einmal den ersten Schritt auf dieser abschüssigen Bahn getan hat, der
wird sich auch bald zu dem zweiten verleitet fühlen; für den verliert
die Wechselverbindlichkeit nach und nach jede ernste Bedeutung. Er
unterschreibt gedankenlos und unterschreibt weiter, ohne sich vorläufig
Sorgen zu machen, wo das Geld Herkommen soll, und ob es auch pünkt¬
lich zur Stelle ist. Da nun kein einziger seiner Lieferanten in der Lage
ist, die Zahlungen über Gebühr hinausschieben zu lassen, so ergibt sich
für ihn, dem leichtsinnigen Wechselschuldner gegenüber, die Notwendig¬
keit, gleich von vornherein die Zinsen bei seinen Warenpreisen in An¬
rechnung zu bringen, oder doch, wenn das der Konkurrenz halber nicht
geht, sich sonstwie schadlos zu halten. Kommt aber ein neuer Lieferant
in Frage, der zum ersten Male einen Auftrag erhält, und der sich
vorher selbstverständlich bei einem Auskunftsbureau nach der Kredit¬
würdigkeit des Bestellers erkundigt, so wird er, wenn er hört, daß
dieser viel in Wechseln arbeitet, sich sehr bedenken, ob er überhaupt mit
dem betreffenden in Geschäftsverbindung treten soll. Tut er es
dennoch, so geschieht es ganz sicher unter großen Vorsichtsmaßregeln,
die natürlich auch wieder das Konto des „Wechfelfreundes" erheblich!
belasten.