Tie Wirkungen der französischen Julirevolution auf Europa. 197
ihrer Nationalität und an der römisch-katholischen Konfession fest und haben
die Hoffnung auf Wiederherstellung ihres Reiches noch nicht aufgegeben.
c) Die Bewegungen in Deutschland. Die französische Julirevolution
erweckte auch im deutschen Volke die Sehnsucht nach Freiheit und Einheit.
Infolgedessen entstanden in verschiedenen Mittel- und Kleinstaaten U n -
ruhen, die den Übergang zu konstitutionellen Staatsformen herbei¬
führten. Dagegen blieben Preußen und Österreich der reaktionären
Politik treu.
In Braunschweig wurde der Herzog Karl vertrieben; sein Bruder und
Nachfolger Wilhelm (1830—1884) gab dem Lande eine Verfassung, 1832
worauf Ruhe und Ordnung zurückkehrten. — Ebenso mußte in Kurhessen Wil¬
helm II. die Regierung an seinen Sohn Friedrich Wilhelm (—1866) 1831
abtreten, der ebenfalls in eine Konstitution willigte. — Ähnliches geschah in
Hannover, nachdem auch Sachsen durch König Anton (1827—1836) die
gewünschte Verfassung erhalten hatte.
Die gleichzeitig laut werdenden Wünsche nach nationaler Einigung
fanden wenigstens auf wirtschaftlichem Gebiete eine gewisse Erfüllung,
die daun den Boden für den späteren politischen Zusammenschluß Deutsch¬
lands vorbereitete. Die territoriale Zerrissenheit unseres Vaterlandes mit
ihren Zollschranken, Münz-, Maß- und Gewichtsverschiedenheiten schuf
für Handel und Verkehr unerträgliche Zustände. Immer dringender for¬
derten Nationalökonomen, wie Friedr. List u.a., die wirtfchaft - f 1846
liche Einigung Deutschlands (vgl. S. 177). Nachdem bereits
verschiedene nord- und süddeutsche Staaten Zollverbände geschlossen
hatten, faßte endlich der Deutsche Zollverein Gesamtdeutschland zu einer 1833/34
wirtschaftlichen Einheit zusammen (vgl. S. 188).
Da die nichtgermanischen Teile der habsburgischen Monarchie eine Öffnung
der Zollgrenzen Deutschland gegenüber ablehnten, hielt sich Österreich vom
deutschen Zollverein sern, sodaß Preußen als alleinige Vormacht innerhalb
des Zollgebietes übrig blieb. Man verlegte alle Zölle an die Vereinsgrenze,
machte sie gleichmäßig und schuf für gemeinschaftliche Einnahmen und Aus¬
gaben eine Vereinskasse. An den gemeinsamen Zollerträgen hatte jeder Staat
einen nach der Kopfzahl seiner Bevölkerung bemessenen Anteil.
d) Die Einwirkung aus England. Selbst auf das feit langem schon
konstitutionell regierte England hatte die Julirevolution einen gewissen
Einfluß, der sich in liberalen Reformen zeigte. Nachdem unter Georg IV.
(1820—1830) die politische Gleichberechtigung der Katho - 1829
I i k' e n (Aufhebung der Testakte; vgl. S. 80) durchgesetzt worden war,
brachte unter Wilhelm IV. (1830—1837) eine Parlaments¬
reform dem Bürgerstande eine stärkere Vertretung im Unterhause. 1832
Auch die Sklavenbefreiung in sämtlichen englischen Kolonien
sowie die Aufhebung des Sklavenhandels wurden in die Wege geleitet.