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Alte Geschichte. 2. Periode. Perser.
Aber ehe er noch hinkam, starb Amasis, und dessen Sohn, Psam-
menit, mußte für den Vater leiden. Denn Kambyses über¬
wand ihn in einer Schlacht und nahm endlich auch die Haupt¬
stadt von Aegypten, Memphis ein (525). Psammenit wurde
gefangen genommen, mit vielen andern vornehmen Aegyptern
vor die Stadt geführt und dort bewacht. Da kam seine Tochter
vorbei; sie war mit den Töchtern der vornehmsten Aegypter ver-
urtheilt, als Sklavin Wasser in das feindliche Lager zu tragen.
Als nun die unglücklichen Mädchen wehklagend vorüberzogeil,
jammerten die gefangenen Väter, nur Psammenit nicht; er beugte
nur sein Angesicht zur Erde. Bald darauf sah er 2000 junge
Aegypter vorübergeführt werden, seinen Sohn an ihrer'Spitze.
Alle hatten Stricke um den Hals und Gebisse im Munde, und
wurden zum Tode geführt. Alle ägyptischen Väter schrieen bei
diesem Anblicke vor Schmerz ans; aber Psammenit beugte sein
Antlitz zur Erde und — weinte nicht. Endlich kam sein ver¬
trautester Diener vorbei, der jetzt in seinem Alter Alles verloren
hatte und nun im feindlichen Lager von Zelt zu Zelt seinen
Lebensunterhalt zusammenbettelte. Als der König diesen sah,
schrie er laut auf, nannte schmerzhaft den Freund beim Namen
und schlug sich vor die Stirn. Alles Das wurde dem Kambyses
hinterbracht, und der ließ ihn fragen, wie es denn komme, daß
er um das Schicksal der Tochter und des Sohnes nicht, wohl
aber um das jenes Bettlers geweint habe? „O König!" antwor¬
tete der unglückliche Psammenit, „das Unglück, welches mein
Haus betroffen hat, ist so ungeheuer groß, daß alle meine Thrä-
nen versiegen und der Jammer keine Worte findet; aber für den
Freund, der jetzt im Alter mit Mangel kämpft, habe ich noch
Thränen." — Diese rührenden Worte machten selbst auf des
Kambyses wildes Gemüth Eindruck; er vergoß selbst Thränen und
befahl, daß augenblicklich Jemand hineilen und dem Sohne des
dem Rathe. Nichts war ihm lieber als ein Ring, ein schöner Smaragd in Gold
gefaßt. Mit ihm fuhr er weit ins Meer hinein und warf ihn ins Wasser; dann
kehrte er tiefbetrübt nach Hause zurück. Sechs Tage darauf sing ein Fischer einen
ausnehmend schönen Fisch, den er dem Könige zum Geschenk brachte, und als
man das Thier aufschnitt, lag der Ring in seinem Magen. Polykrates meldete
das Alles dem Amasis. Dieser aber schickte einen Herolv nach Samos und ließ
seinem Freunde das Bündniß aufkündigen. „Unmöglich", schrieb er ihm, „kann
es mit dir einmal ein gutes Ende nehmen; lebe wohl!" Wirklich wurde auch
Polykrates bald darauf ermordet.