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Jüngling, und seine vorige, blühende Gestalt wurde ihm bitter vor-
gegaukelt.
Tr konnte es nicht mehr sehen, er verhüllte das Auge, tausend
heiße Tränen strömten versiegend in den Schnee, er seufzte nur
noch leise, trostlos und sinnlos: „Komm nur wieder, Jugend, komm
wieder!"
Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht
so fürchterlich geträumt — er war noch ein Jüngling. Nur seine
Verirrungen waren nicht bloß ein Traum gewesen. Aber er dankte
Gott, daß er noch jung war und von den schnmtzigen Gängen des
Lasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte,
die ins reine Land der ewigen Ernten führt.
Rehre mit ihm um, junger Leser, wenn du auf seinen Irrwegen
siehst. Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter werden!
Aber wenn du einst jammervoll rufen würdest: „Komm wieder,
schöne Jugendzeit!" -— sie würde nicht wiederkommen.
Jean Paul Friedrich Richter.
13. Die deutsche Turnkunst.
Wie so viele Dinge in der Welt so hat auch die deutsche Turnkunst^
einen kleinen, unmerklichen Anfang gehabt. Ich wanderte gegen das Ende,
des Jahres 1809 nach Berlin, um den Einzug des Königs zu sehen.
Bei dieser Feier ging mir ein Hoffnungsstern auf, und nach langen Jrr-
jahren und Irrfahrten wurde ich hier heimisch. Liebe zum Vaterlande
und eigene Neigung machten mich wieder zum Jugendlehrer, was ich schon
so oft gewesen war. Zugleich ließ ich mein „Deutsches Volkstum" drucken.
In schöner Frühlingszeit des Jahres 1810 gingen an den schul-
fteien Nachmittagen der Mittwoche und Sonnabende erst einige Schüler
mit mir in Feld und Wald, bald folgten immer mehr und mehr. Die
Zahl wuchs, und es wurden Jngendspiele und einfache Übungen vor¬
genommen. So ging es fort bis zu den Hundstagen, wo eine Unzahl
von Knaben zusammenkam, die sich aber bald nachher verlief. Doch
sonderte sich ein Kern aus, der auch im Winter als Stamm zusammen-
hielt, und mit dem dann im Frühjahr 1811 der erste Turnplatz in der
Hasenheide eröffnet wurde.
Jetzt wurden im Freien öffentlich und vor jedermanns Augen von
Knaben und Jünglingen mancherlei Leibesübungen unter dem Namen
Turnkunst in Gesellschaft getrieben. Damals kamen die Benennungen
Turnkunst, turnen, Turner, Turnplatz und ähnliche miteinander zu¬
gleich auf.
Das gab nun bald ein gewaltig Gelaufe, Geschwätz und Geschreibe.
Selbst durch ftanzösische Tageblätter mußte die Sache Gassen laufen.
Aber auch hier zu Lande hieß es anfangs: „Eine neue Narrheit, die
alte Deutschheit wieder aufbringen zu wollen." Dabei blieb es nicht.
Vorurteile wie Sand am Meer wurden von Zeit zu Zeit ruchbar. Sie