Full text: Kurzgefaßtes Lehr- und Lesebuch für kaufmännische Schulen

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lief) das Papiergeld Rußlands), aber auch eins der ältesten Objekte 
des Börsenhandels, der Wechsel, gehört dahin. 
2. Zweitältester Gegenstand des Handels an der Fondsbörse 
sind die „Fonds" im engeren Sinne des Wortes: die Staatspapiere 
und die ihnen verwandten Schuldverschreibungen der Gemeinden und 
anderer öffentlicher Korporationen. 
Daß Staat und Gemeinde heutzutage fast ausnahmslos Schul¬ 
den machen, ist bekannt, und diese Schulden müssen den Gläubigern 
des Staates verzinst werden. Die Verschuldung eines Staates ist 
heute nicht etwa an sich ein Unglück, ein Zeichen schlechter Verwaltung 
oder mangelnden Reichtums. Wenn ein Staat eine große Eisenbahn 
ankauft oder baut für, sagen wir, 50 Millionen Mark, so wäre es 
weder gerecht noch verständig, wenn er diesen Betrag durch eine Steuer, 
im Durchschnitt z. B. in Deutschland von 1 Mark für den Staats¬ 
bürger, aufbringen würde. Nicht nur der lebenden Generation dient 
und nützt die Bahn, und nicht nur der jetzige Finanzminister heimst 
die Einnahmen daraus ein. Deshalb ist es richtig, daß wir dafür 
auch die Nachkommen steuern lassen; das geschieht, indem das Geld 
geliehen, verzinst und allmählich in längeren Zeiträumen aus den 
Steuern zurllckbezahlt wird. Die Steuerlast dafür wird dadurch auf 
Gegenwart und Zukunft verteilt. Etwas anderes und eine schlechte 
Finanzwirtschaft ist es, wenn ein Staat für Bedürfnisse, die ständig 
wiederkehren, z. B. die Bezahlung seiner Beamten und seines Heeres, 
fortgesetzt Geld leiht, dann schiebt die lebende Generation auf die 
Nachkommen Lasten ab, die sie selbst tragen muß; der Staat wirt¬ 
schaftet mit einem Defizit/) welches die Nachkommen bezahlen sollen. 
Das Leihen des Geldes für jene Staatsbedürfniffe nun bewirkt 
der Staat — und ähnlich verfahren Kreise, Gemeinden usw. — durch 
Verkauf vou Schuldverschreibungen, in denen der Staat die Zahlung 
bestimmter Zinsen, 3, 3V>, 4 % einer Schuldsumme, an bestimmten 
Zahlungsterminen, z. B. 1. Zanuar und 1. Juli, verspricht an jeden, 
der zu der betreffenden Zeit als Inhaber der Schuldverschreibung sich 
melden und ausweisen werde. Wer den Besitz der Schuldverschreibung 
rechtmäßig, durch Kauf oder sonstwie erwirbt, wird also Staatsglüubiger. 
Die Schuld zurückzuzahlen, verspricht der Schuldner (Staat, Ge¬ 
meinde usw.) entweder nach einem bestimmten Plan, so daß jährlich 
eine Anzahl Nummern der Schuldscheine ausgelost und zurückbezahlt 
(„amortisiert") werden, oder er behält sich nur das Recht vor, sie zu 
kündigen, übernimmt aber keine entsprechende Pflicht, — so ist es bei 
unsern Reichs- und preußischen Anleihen (sog. „Konsuls")-). Der Staat 
) Unterschuß. ?) Gesicherte Anleihe.
	        
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