— 209
noch wuchern wollte, und wir sehen die Sachsen, die Bayern, die Württem-
berger, die Badenser im treuen Anschluß an Norddeutschland zu den Waffen
greifen, um der Anmaßung der Franzosen mit deutscher Gründlichkeit zu be¬
gegnen. Alls den großen Heerstraßen nach dem Westen, dem Rheine zu,
flutete ein feierlich erregtes Leben; aus allen Marken ergossen sich int buntesten
Wechsel der verschiedensten Waffengattungen Tag und Nacht unabsehbare Züge
kampfgeübter Streiter, umjubelt von Tausenden, die sich der treuen Waffen¬
brüderschaft des Südens und des Nordens freuten und die solche Einigkeit
als Bürgschaft für die günstigste Entscheidung des Kriegsgeschickes betrachteten.
Um kriegerische Tapferkeit zu belohnen, erneuerte König Wilhelm den Orden
des eisernen Kreuzes, des Kriegers höchste Ehrenzier, und um den Verwundeten
und Kranken hülfreichen Beistand zu bieten, bildeten sich allerorten Ver-
einigungen von Frauen und Jungfrauen, in betten man mit geschäftigen Händen
Verbandgegenstände fertigte und Spenden aller Art für die im Feindesland
kämpfenden Gatten, Söhne und Brüder in Bereitschaft stellte.
In bewunderungswürdig kurzer Zeit standen die deutschen Heere auf der
„Wacht am Rhein". Die Nordarnree unter Steinmetz rückte von Trier
gegen Saarbrücken vor; die Rheinarmee unter Prinz Friedrich Karl ging
durch die Rheinpfalz, und die Südarmee unter den: Kronprinzen erstrebte
die Nordgrenze des Elsaß. Am 2. August begannen die Franzosen den Kampf,
indem sie mit 40 000 Mann gegen Saarbrücken losbrachen, das nur von
750 Mann Preußen verteidigt wurde. Mehrere Stunden hielt sich das Häuf¬
lein der Preußen tapfer, mußte aber der Übermacht weichen. Napoleon,
begleitet von seinem Sohne, war selbst Zeuge des ersten Erfolges seiner
Waffen, und in ruhmrednerischer Sprache nannte er den für die Franzosen
wenig rühmlichen Zusammenstoß eine „siegreiche Schlacht". Durch diese Bezeich-
nung hatte der schlau berechnende Napoleon einen solchen Siegesrausch bei
den Seinei: entzündet, daß ihnen „ein Spaziergang nach Berlitr", den sie sofort
anzutreten gedachten, keine großen Schwierigkeiten zu haben schien. Aber wie
hatten sich die Franzosen verrechnet! Am 4. August griff der Kronprinz an;
seine Bayern warfen den Feind aus Weißenburg, und preußische Regimenter
erstürmten den G e i s b e r g. Hierauf zog der französische General M a c M a h o n
80 000 Mann bei Wörth zusammen, die in Weinbergen und Hopfengärten
eine verschanzte Stellung einnahmen, welche der General für uneinnehntbar
hielt. Am 6. August griffen die Deutschen den Feind dennoch an. Der Kampf
war heiß und blutig; 4000 der Unseren deckteit das Schlachtfeld; aber um
4 Uhr war die Schlacht gewonnen und das feindliche Heer zertrümmert, das
den Weg nach Süden gedeckt hatte. An demselben Tage wetzte Steinmetz die
Scharte von Forbach wieder aus, indem er gegen die Spicherer Berge" vor-
drailg, dieselben linter Strömen deutschen Blutes erstürmte und bett verblüfften
Franzosen zeigte, was deutscher Mut vermag. Der Rückzug des Feindes war
eilt allgemeiner, nicht einmal die steilen Pässe der Vogesen wagten die Franzosen
zu verlegen, lind unsere Heere drangelt mit stürmischer Hast immer tiefer
hinein in des Feindes Land, um die Flüchtigen zu erreichen. In der Nähe
der Festung Metz stand die andere französische Hauptarmee. Ihr Befehlshaber
Bazaine beabsichtigte, sich zurückzuziehen, wurde aber von den Deutschen
daran verhindert und von Steinmetz nach blutigetn Kampfe bei Paitge am
14. August nach Metz zurückgeworfen. Die Versuche Bazaines, durchzubrechen
und sich mit dem weiter westwärts stehenden Heere ztt vereinigen, führten die
mörderischen Tage von Mars-la-Tour (16. August) ttttb Gravelotte
Schürmann it. Windmöller, Lehr- u. Leseb. f. Fortbildungssch. I. 8. Ausl. 14No full text available for this image
No full text available for this image