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stehe- Aber seit der Mitte der sechziger Jahre hatte Napoleons Glück Rück¬
schläge erfahren. Aus Mexiko, wo er während des amerikanischen Bürgerkrieges
ein von ihm abhängiges Kaiserreich unter Kaiser Franz Josephs unglücklichem
Bruder Maximilian hatte herstellen wollen, hatte er, nachdem er vergeblich
Millionen an Geld und Tausende an Menschenleben geopfert, weichen müssen,
und der blutige Schatten des von Napoleons Heer verlassenen und darauf
vou deu dortigen Republikanern hingerichteten Maximilian (9. Juni 1867)
stand wie ein Ankläger gegen seinen Ehrgeiz da. Im Inner,: Frankreichs
erhob sich die nur immer auf kürzere Zeiträume besänftigte Stimme der
Republikaner gegen ihn., Nun ka,nen die unerwarteten wie betäubenden Siege
der Preußen über die Österreicher im Jahre 1866. Napoleon hatte gehofft,
in Deutschland würde sich ein langer Bürgerkrieg entzünden oder Preußen
werde besiegt werden; in Leiden Fällen hatte er dann einschreiten wollen als
der gewaltsame Vermittler, um dabei Eroberungen am Rhein und in Belgien
machen, namentlich aber eine hochangesehene, oberste Rolle in Europa und den
Schutzherrn Deutschlands spielen zu können. Von dem allen war das Gegen¬
teil eingetreten. Preußen hatte einen kriegerischen Ruhm erworben, der selbst
deu des ersten Napoleon übertraf, und Deutschland, statt schwach und zer¬
rüttet zu sein, stand einiger und stärker da, als je zuvor. Und war auch
Napoleon selbst zu klug, um sofort gewaltsan: gegen die Erfolge Preußens
aufzutreten: das französische Volk und namentlich das französische Heer ertrug
es nicht, sich in der Waffenehre von einem andern Volk übertroffen zu sehen,
und Staatsmänner wie Thiers machten es dem Kaiser zum Vorwurf, daß er
es zugegeben habe, daß eine deutsche Einheit geschaffen. „Rache fi'ir Sadowa,"
war deshalb der Ruf der „große,:" Natiou. Von der französischen Regie¬
rung waren, wenngleich sehr behutsam, Ausgleichsforderungen, d. h. Zu¬
mutungen, die auf Abtretung deutschen Grenzgebietes zur Befriedigung und
Versöhnung Frankreichs zielten, gemacht, aber von Preußen abgewiesen worden.
Unter diesen Umständen „rußte Preußen in jedem Augenblick eines Angriffs
gewärtig sein. Napoleon sah sich dabei von den Franzosen mehr vorwärts
gedrängt, als daß er selber „ach einem Kampfe gedürstet hätte, dessen Gefahren
er besser ermaß, als die Mehrzahl seines Volkes.
Schon im Jahre 1867 hätte die Luxemburger Frage beinahe zu einem
Kriege geführt. Dem Großherzogtum Luxeinburg und einem Teile der
holländischen Provinz Limburg war durch die Verträge vou 1815 und 1839
eine unnatürliche Mittelstellung gegeben, indem beide Länder zwar unter der
niederländischen Landeshoheit standen, gleichwohl aber dem deutschen Bunde
mit angehörten. Nachdem derselbe 1866 sich aufgelöst, waren diese Gebiete
aus der großen Geineinschaft selbstverständlich herausgetreten. Die Stadt
Luxemburg aber, eine wichtige Bundesfestung und die Hauptstadt des seinem
Kerne nach deutschen, doch sonst vielfach verwelschten Ländchens, hielten noch
immer die Preußen besetzt. Nun forderte Frankreich die Räumung dieser,
angeblich Frankreich bedrohenden Stellung; zugleich verbreiteten sich Gerüchte,
Frankreich sänne mit Einwilligung des Königs der Niederlande auf eine Ein¬
verleibung Luxemburgs, um sich dadurch eine Entschädigung für die verniehrte
Macht Preußens zu schaffen. Schon verbitterte sich in den öffentlichen Blättern
und auch in der Landesvertretung beider großen Reiche der Streit. Da zeigte
Preußen seine völlige Friedensliebe, indem es dem Vorschlage Gehör gab, daß
eine europäische Konferenz zur Ausgleichung des Streites zu London zusammen¬
träte, und hier wurde der Vorschlag angenommen, daß die Festung Luxemburg von