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25 Jahre deren Bischof gewesen, ist eine absichtliche Erdichtung. Noch
viel weniger läßt sich von den übrigen Aposteln sagen, — außer von
Paulus, deffen Wirksamkeit bis fast an seinen Märtyrertod, den er
mit Petrus zugleich in Rom erduldete, uns die Apostelgeschichte erzählt.
Ein Weiteres erhellet aus seinen Briefen; er ist vorzugsweise der
Heiden Apostel geworden.
Eine große Anzahl von Christengemeinden leuchtete schon 30 Jahre
nach des Herrn Auffahrt von Jerusalem bis Rom, vom Tigris bis
an den Rhein, wie Sterne in dunkler Nacht. Kein äußerliches Band
einigte sie; aber Alle umschlang der Glaube an den Herrn Jesum,
auf den eine jede gegründet war, und die Bruderliebe, da sie sich alle
als Glieder eines Leibes erkannten. Keiner Gemeinde siel es ein, über
die andere herrschen zu wollen, so wenig wie die Apostel Herren der
Gemeinde sein wollten, oder sich einer der Apostel einen Vorrang vor
seinen Mitapofteln anmaßte; denn es ist ganz unbiblisch, wenn eine
spätere Zeit Petrus den Fürsten der Apostel nennt. (Matth. 20,
20 — 28.) Jede Gemeinde wählte aus ihrer Mitte zu ihrem Vor¬
stande Ältesten, die auch Bischöfe genannt werden, von denen auch
wohl derjenige, der das Lehramt versah, vorzugsweise Bischof (d. i.
Aufseher, Inspektor) hieß, und die von den Aposteln oder apostolischen
Männern durch Handauflegung zu ihrem Amte geweihet wurden.
Sämmtliche Christengemeinden bildeten die christliche Kirche, die da
ist der Leib des Herrn, das Haus des lebendigen Gottes,
erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Je¬
sus Christus der Eckstein ist.
13. Jerusalems Zerstörung.
Die Weissagung des Herrn, die er Matth. 19, 42 — 44 weinend
über Jerusalem aussprach, ging schon nach 37 Jahren in buchstäbliche
Erfüllung. Das jüdische Volk, welches seinen Heiland gekreuzigt hatte,
wollte noch immer nicht erkennen, was zu seinem Frieden diente, und
so mußte es an sich selbst erfahren, wie schrecklich es ist, in die Hände
des lebendigen Gottes zu fallen. Von den römischen Landpflegern
immer härter bedrückt, wuchs ihre Sehnsucht nach einem irdischen
Messias, und sie liefen den schändlichsten Betrügern nach, die ihnen
die Freiheit zu geben versprachen, indem sie sich für den Messias aus¬
gaben. So groß war ihre Noth, daß sie in ihrer Verblendung zuver¬
sichtlich glaubten, jetzt müsse der Messias erscheinen, um sie, sein auser¬
wähltes Volk, zu erretten, nachdem sie ihn schon längst verworfen hat¬
ten, den Jesus von Nazareth, der sich als den Mann Gottes unter
ihnen durch Zeicheu und Wunder, durch Wort und Wandel erwiesen,
der unter ihnen seinen Geist ausgegossen, eine heilige Gemeinde in ihre
Mitte hingestellt hatte. Ihre Wuth gegen Heiden und Christen stieg
in gleichem Schritte mit der Römer Grausamkeit. Unter dem frevel-
müthigen Landpfleger Gessius Florus brach der Aufruhr allenthal-
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