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gesetzt wird, als Märchen aus „Tausend und eine Nacht" oder schaurige 
Gespenstergeschichten zu erzählen, ist das Petroleum derjenige, welcher 
die weiteste Verbreitung gewonnen hat. 
Wohl schüttelten viele Leute die Köpfe bei der Nachricht, dass drüben 
in Amerika an manchen Orten das Öl aus der Erde gepumpt werde, wie 
bei uns zu Lande das Wasser, oder dass es dort Teiche und Flüsse gebe, 
von deren Oberfläche man das Öl abschöpft, ebenso wie die Hausfrau 
das Fett, welches auf der Brühe schwimmt, mit dem Löffel abnehme. 
Anfangs wollte niemand von diesem Öle als Brennstoff Gebrauch machen, 
weil man besonders seine leichte Entzündbarkeit fürchtete, und deshalb ver¬ 
schenkten zuerst die Händler das Öl samt den zum Brennen desselben nötigen 
Lampen; dann bekamen die Kaufleute zu jedem Fass Öl, das sie bestellten, 
eine oder etliche Lampen umsonst. Allmählich kamen die Leute dahinter, 
dass das neue Öl heller brenne als das alte und doch wohlfeiler und 
reinlicher sei. Wie schnell sie sich in die Rechnung gesunden haben, nach 
welcher der Gewinn für unsern Geldbeutel um so grösser ist, je billiger die 
Sache, zeigt der Umstand, dass im Jahre 1860 in den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika 700000 Hektoliter Petroleum gewonnen wurden, im Jahre 
1865 aber die Ausbeute sich bereits auf 5 Millionen Hektoliter belief, die 
sich bis zum Jahre 1872 auf beinahe 10 Millionen Hektoliter steigerte. 
Am reichsten Hiessen die Erdölquellen in einer Gegend des Staates 
Pennsylvanien in Nordamerika. Die ersten Versuche, welche die Ölbohrer 
daselbst machten, fielen so glücklich aus, dass die meisten Bauern dort 
die Hacke liegen und den Pflug stehen liessen, um Öl zu bohren. Es 
brach in dieser Gegend ein „Ölfieber" aus, das mit gleicher Heftigkeit 
wütete wie seinerzeit das „Goldsieber" in Kalifornien und Australien. 
Tausende von Brunnen entstanden in den sogenannten Ölbezirken; aber 
die Unternehmungen waren wie ein Lotteriespiel. Unter hundert Männern, 
welche für schwere Summen von den Landeigentümern das Recht gekauft 
hatten, Bohrlöcher in die Tiefe zu führen, hatten achtzig bis neunzig 
das Geld weggeworfen und Arbeit und Mühe umsonst gehabt; nur zehn 
bis zwanzig fanden Öl, allerdings zuweilen in so ungeheurer Menge, dass 
mancher durch eine einzige Quelle binnen wenigen Monaten zum Millionär 
wurde. In das Riesenmäfsige stieg der Ertrag, als im Sommer 1861 ein 
Bohrer tiefer als bisher ging und dadurch einen immer fließenden Brunnen 
gewann, welcher täglich etwa 1500 Hektoliter Öl gab. Gleiche Versuche 
an anderen Orten hatten denselben Erfolg. Bald fehlte es an Geräten, 
das fließende Öl aufzunehmen, der Preis sank an Ort und Stelle auf 
ungefähr fünfzig Pfennig für das Faß von 140 bis 150 Liter. 
Das Petroleum ist wahrscheinlich dadurch entstanden, daß im Innern 
der Erde befindliche Steinkohlenlager sich in ihre Bestandteile zersetzt 
haben, so vielleicht, dass die öligen Stoffe durch Hitze herausgetrieben 
und nebst dem gleichzeitig gebildeten Gas in weitgehenden Steinschichten 
gesammelt worden sind. Es ist eine bald hell-, bald dunkelbraune, 
ziemlich dickflüssige Masse, welche im Wasser sich nicht auflöst, sondern 
als besondere Schicht auf demselben schwimmt, von durchdringendem, 
aber nicht gerade unangenehmem Gerüche und dabei sehr leicht entzündlich. 
Wird eine Ölschicht angebohrt, so strömt zuerst mit grosser Heftigkeit 
ein Kohlenwasserstoffgas aus, das den ganzen Luftkreis der Umgegend 
erfüllt. Das ist ein Augenblick der grössten Gefahr, wenn irgend ein Feuer 
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