Full text: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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alle; kein Plündern, sie bezahlen, was sie können, und effen verschimmeltes 
Brot. Es muß doch ein tiefer Grund von Gottesfurcht im gemeinen 
Mann bei uns sitzen, sonst könnte alles nicht sein. Nachrichten über 
Bekannte sind schwer zu haben; man liegt meilenweit auseinander, keiner 
weiß, wo der andere, und niemand zu schicken, Menschen wohl, aber 
keine Pferde. 
Der König exponierte sich am 3. allerdings sehr, und es war sehr 
gut, daß ich mit war; denn alle Mahnungen anderer fruchteten nicht, und 
niemand hätte gewagt, so zu reden, wie ich es mir beim letztenmal 
(welches half) erlaubte, nachdem ein Knäuel von 10 Kürassieren und 
15 Pferden vom 6. Kürassier-Regiment neben uns sich blutend wälzte 
und die Granaten den Herrn so in unangenehmster Nähe umschwirrten. 
Die schlimmste sprang zum Glücke nicht. Es ist mir aber doch lieber so, 
als wenn er die Vorsicht übertriebe. Er war begeistert über seine Truppen, 
und mit Recht, sodaß er das Sausen und Einschlagen neben sich gar 
nicht zu merken schien, und er fand immer wieder Bataillone, denen er 
danken und guten Abend sagen mußte, bis wir denn richtig wieder ins 
Feuer hineingeraten waren. Er hat aber so viel darüber hören müsien, 
Laß er es künftig lassen wird, und Du kannst beruhigt sein; ich glaube 
kaum noch an eine wirkliche Schlacht." 
H. 
Nach der Schlacht bei Sedan richtete König Wilhelm folgenden Brief 
an seine Gemahlin, die Königin Augusta: 
„Vendresse, südl. Sedan, 3. September 1870. 
Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen Umfang 
des großen geschichtlichen Ereignisies, das sich zugettagen hat! Es ist 
wie ein Traum, selbst wenn mau es Stunde für Stunde hat abrollen 
sehen! 
Wenn ich mir denke, daß nach einem großen, glücklichen Kriege ich 
während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte, 
und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich 
vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus-- 
ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen und uns zu Werkzeugen seines 
Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk auf¬ 
zufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen. 
Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in gedrängter 
Kürze! 
Der Kampf begann trotz dichten Nebels bei Bazeilles schon früh am 
Morgen, und es entspann sich nach und nach ein sehr heftiges Gefecht, 
wobei Haus für Haus genommen werden mußte, was fast den ganzen 
Tag dauerte und in welches die Erfurter Division eingreifen mußte. Als 
ich um 8 Uhr auf der Front vor Sedan einttaf, begann die große 
Batterie gerade ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten 
entspann sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte, 
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Añg. Teil. 22
	        
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