337
alle; kein Plündern, sie bezahlen, was sie können, und effen verschimmeltes
Brot. Es muß doch ein tiefer Grund von Gottesfurcht im gemeinen
Mann bei uns sitzen, sonst könnte alles nicht sein. Nachrichten über
Bekannte sind schwer zu haben; man liegt meilenweit auseinander, keiner
weiß, wo der andere, und niemand zu schicken, Menschen wohl, aber
keine Pferde.
Der König exponierte sich am 3. allerdings sehr, und es war sehr
gut, daß ich mit war; denn alle Mahnungen anderer fruchteten nicht, und
niemand hätte gewagt, so zu reden, wie ich es mir beim letztenmal
(welches half) erlaubte, nachdem ein Knäuel von 10 Kürassieren und
15 Pferden vom 6. Kürassier-Regiment neben uns sich blutend wälzte
und die Granaten den Herrn so in unangenehmster Nähe umschwirrten.
Die schlimmste sprang zum Glücke nicht. Es ist mir aber doch lieber so,
als wenn er die Vorsicht übertriebe. Er war begeistert über seine Truppen,
und mit Recht, sodaß er das Sausen und Einschlagen neben sich gar
nicht zu merken schien, und er fand immer wieder Bataillone, denen er
danken und guten Abend sagen mußte, bis wir denn richtig wieder ins
Feuer hineingeraten waren. Er hat aber so viel darüber hören müsien,
Laß er es künftig lassen wird, und Du kannst beruhigt sein; ich glaube
kaum noch an eine wirkliche Schlacht."
H.
Nach der Schlacht bei Sedan richtete König Wilhelm folgenden Brief
an seine Gemahlin, die Königin Augusta:
„Vendresse, südl. Sedan, 3. September 1870.
Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen Umfang
des großen geschichtlichen Ereignisies, das sich zugettagen hat! Es ist
wie ein Traum, selbst wenn mau es Stunde für Stunde hat abrollen
sehen!
Wenn ich mir denke, daß nach einem großen, glücklichen Kriege ich
während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte,
und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich
vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus--
ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen und uns zu Werkzeugen seines
Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk auf¬
zufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.
Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in gedrängter
Kürze!
Der Kampf begann trotz dichten Nebels bei Bazeilles schon früh am
Morgen, und es entspann sich nach und nach ein sehr heftiges Gefecht,
wobei Haus für Haus genommen werden mußte, was fast den ganzen
Tag dauerte und in welches die Erfurter Division eingreifen mußte. Als
ich um 8 Uhr auf der Front vor Sedan einttaf, begann die große
Batterie gerade ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten
entspann sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte,
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Añg. Teil. 22