Object: [Bd. 1, Abth. 1] (Bd. 1, Abth. 1)

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Zur physischen Geographie. 
ändert. Nur das frische Grün unserer Wiesen und Wälder ist noch freie Natur, 
ein wenn auch nur schwaches Ueberbleibsel jener ausgedehnten Brüche und 
Waldungen, in denen unsere Vorfahren die römischen Heere vernichteten. 
Sechzig Tagereisen lang und neun Tagereisen breit erstreckte sich der hercynische 
Urforst, von dem schon Eratosthenes im dritten Jahrhundert vor Christus 
Nachricht giebt; dort standen Riesenstämme, die nach Plinins' bewundernden! 
Ausdruck so alt waren als die Erde selber und die ihre Wurzeln thorartig 
über Schluchten und Engen hinwegspannten, so daß ganze Reitergeschwader 
unter ihnen einherziehen konnten. Und ähnlich berichtet noch lange nach der 
Aera der Cäsaren, um 1030 n. Ch., Adam von Bremen, der älteste Dar- 
steller der baltischen Lande, von dem „eisernen Walde" (saltus isarnho), der 
ununterbrochen und undurchdringlich den jütischen Erdrücken bis zu den Mün- 
düngen der Trave erfüllte. In jahrhundertelanger Arbeit hat seitdem die 
Axt dieses starrende Dickicht gelichtet, gefällt, und an seiner Stelle breiten 
sich unabsehliche Fluren, mit fremden Gewächsen bepflanzt, von denen viele 
freilich eben auch seit Jahrhunderten sich eingebürgert haben. Die ver- 
edelten Fruchtbäume, die Getreidesaaten, die Rebengelände, sie haben in Asien 
ihre Heimat; selbst die rochen und blauen Blumen, die unsere Kornfelder 
schmücken, sind mit dem Getreide von dorther eingewandert. Oft verrathen 
noch die Namen den ausländischen Ursprung: die Pfirsiche kam aus Persien, 
die Aprikose aus Armenien, die Apfelsine aus China, die Quitte von Kydon 
auf Kreta, die Kirsche von Kerasus in Kleinasien.'^) 
In allen Ländern, wo die Bildung eine Stätte gehabt, haben sich Pflanzen 
und Thiere als lebendige Denkmale derselben erhalten. Bei vielen, die 
unentbehrlich geworden sind, kennt die Geschichte die Zeit ihrer Einführung. 
Der Oelbaum ist nicht einheimisch in Italien, und gedieh nach Plinius dort 
*) Zwar ist die Aprikose, wie die Pfirsiche, zuerst den Römern aus Armenien und 
Persien zugekommen; allein der Name Aprikose enthält kaum eine Erinnerung an die 
ursprüngliche Heimat der Frucht. Er ist vielmehr eine durch zahlreiche andere Verstümme- 
lnngen hindurchgegangene Verstümmelung des lateinischen praecoqua oder praecocia 
(die „frühreifen" Früchte, sogenannt gegenüber den später reifenden Pfirsichen). Ans dem latei- 
uischeu Worte machten die Griechen nQccixoy.in, nQoxoxy.ia, ßso(y.oy.ci, und im beginnenden 
Mittelalter kommt dann selbst wieder ein lateinisches avercoccus vor, aus dem das 
italienische albercocco, das französische abricot uud das deutsche Aprikose geworden sein 
mögen. Doch ist vielleicht das italienische meliaca, muliaca (ebenfalls ein Name für 
Aprikosenarten) noch ein Nachklang des lateinischen armeniacum. — Wenn ferner die 
Apfelsine bei den Italienern portogallo heißt, so giebt auch dies eiuen geschichtlichen Finger- 
zeig. Deun die aus dem südlichen China stammende Frucht ist zuerst um die Mitte des 
16. Jahrhunderts durch Portugieseu uach Europa gebracht worden. Der Urahn aller 
europäischen Apfelsinenbäume stand noch im 17. Jahrh. zu Lissabon im Garten des Grafen 
von St. Laurent. Vgl. V. Hehn, Culturpflauzen und Hansthiere,
	        
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